Entscheidungsstichwort (Thema)

Unrechtmäßige Arrestanordnung. Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungklage nach Übergang zum Vollstreckungsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig, wenn sich die angefochtene Arrestanordnung nach Erlass des Steuerbescheides durch Übergang zum Vollstreckungsverfahren erledigt hat, und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit hat.

2. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit besteht, wenn der Kläger wegen der Arrestanordnung einen nicht offensichtlich aussichtslosen Schadensersatzprozess gegen die Finanzverwaltung führt.

3. Der Schadensersatzprozess ist nicht offensichtlich aussichtslos, wenn zum Zeitpunkt der Arrestanordnung das Vorliegen eines Arrestgrundes nicht überwiegend wahrscheinlich war.

 

Normenkette

AO § 324 Abs. 1 S. 1; FGO § 100 Abs. 1 S. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.07.2008; Aktenzeichen VIII R 8/07)

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Arrestanordnung vom 25. Juni 2003 von Anfang an rechtswidrig gewesen ist.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin begehrt im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Arrestanordnung.

Der Beklagte (das Finanzamt) ordnete im Verlauf der Ermittlungen in einem wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung am 13. Februar 2003 gegen die Klägerin und ihren Ehemann eingeleiteten Steuerstrafverfahrens mit Verfügung vom 25. Juni 2003 gem. § 324 AO den dinglichen Arrest in das inländische Vermögen der Klägerin zur Sicherung von Abgaberückständen wegen Einkommensteuer 1993 bis 1997, Zinsen zur Einkommensteuer 1993 bis 1997, Solidaritätszuschlag 1993 bis 1997, Zinsen zum Solidaritätszuschlag 1995 bis 1997 in Höhe von insgesamt 806.901,88 EUR an.

Zur Begründung des Arrestanspruchs wurde in der Arrestanordnung ausgeführt, dass der Ehemann der Klägerin im fraglichen Zeitraum faktischer Geschäftsführer der Firma AB Fahrzeug Center GmbH (ABC) gewesen sei. Daneben sei der Ehemann der Klägerin zu fast 85 v. H. Anteilseigner des Hauptlieferanten, der Firma D. Die Firma D habe der Firma ABC die Lieferung von sogen, maschinengebundenen Werkzeugen in Rechnung gestellt, obwohl diese Werkzeuge in der Türkei bei der Firma D verblieben seien. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten bewusst gegenüber der Firma D darauf verzichtet, für diese Werkzeuge einen Wertausgleich zu verlangen. Da die ABC nicht mehr existiere ergebe sich eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe des Buchwerts der Werkzeuge (634.862 DM).

Die vom Sohn der Klägerin in 1997 gegründete Nachfolgefirma XY, die den gleichen Geschäftszweck wie die ABC verfolge, agiere äußerst erfolgreich. Da die ABC mit namhaften Automobilherstellern zusammen gearbeitet habe, sei von einem Firmenwert in Höhe von 800.000 DM auszugehen. Auch hier hätten die Klägerin und ihr Ehemann verzichtet, von der Firma XY einen angemessenen Ausgleich zu verlangen.

Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass es wie in den Jahren 1988 bis 1990 zu Überfakturierungen in einer Gesamthöhe von 2.852.689 DM gekommen sei. Die überfakturierten Beträge seien als verdeckte Gewinnausschüttung anzusetzen.

Zum Arrestgrund führte das Finanzamt in der Arrestanordnung aus, die Klägerin habe im Rahmen der Vorprüfung die geschäftlichen Aktivitäten der ABC im Mai 1997 eingestellt und an sich als Alleingesellschafterin Gewinne aus früheren Jahren in Höhe von mindestens 800.000 DM ausgeschüttet, obwohl sie gewusst habe, dass erhebliche Steuerforderungen auf die ABC zukommen. Die ABC sei bewusst liquidiert worden, um der Notwendigkeit einer Steuernachzahlung zu entgehen. Die von der Klägerin und ihrer Familie seit Jahren praktizierte Vorgehensweise gegenüber der Finanzverwaltung lasse erwarten, dass die Klägerin versuchen werde, ihr persönliches Vermögen dem Zugriff des Finanzamts zu entziehen.

Im Laufe des Klageverfahrens, in dem die Klägerin ursprünglich die Aufhebung der Arrestanordnung begehrt hatte, erließ das Finanzamt am 19. bzw. 23. September 2003 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1993 bis 1997 über insgesamt 2.829.914 DM und erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Dies nahm die Klägerin zum Anlass, ihren Antrag umzustellen und nunmehr die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Arrestanordnung zu begehren.

Die Klägerin macht geltend, sie habe ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, denn sie werde Amtshaftungsklage gegen das Land Bayern erheben. Zwischenzeitlich hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 21. Juni 2006 Amtshaftungsklage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin geltend, dass es im Streitfall sowohl an einem Arrestanspruch als auch an einem ...

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