Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld bei mehreren Berechtigten;. keine Beiladung von potenziellen Kindergeldberechtigten. Kindergeld November 1996 bis Juni 1997

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Mutter verliert trotz zivilrechtlichem Sorgerecht ihren Kindergeldanspruch, wenn das Kind – ohne dass ein Pflegschaftsverhältnis begründet wird – im Haushalt einer dritten Person dauerhaft lebt und vom Kindesvater durch Barunterhaltsleistungen unterstützt wird.

2. Im Klageverfahren über die Rückforderung des Kindergeldes von der Kindesmutter sind weder der Kindesvater noch sonstige potenzielle Anpruchsberechtigte notwendig beizuladen.

 

Normenkette

EStG § 63 Abs. 1, § 64 Abs. 3, 1; FGO 1965 § 60 Abs. 3; AO 1977 § 174 Abs. 5

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.12.2003; Aktenzeichen VIII R 67/00)

BFH (Urteil vom 16.12.2003; Aktenzeichen VIII R 67/00)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist die Mutter des am 30.9.1979 geborenen Kindes …. Sie lebte damals von ihrem Ehemann getrennt und ist zwischenzeitlich geschieden und wieder verheiratet. Sie besaß in dem streitigen Zeitraum von November 1996 bis Juni 1997 das Sorgerecht für den Sohn MHBB das ihr auch auf Antrag ihres Sohnes beim Vormundschaftsgericht nicht aberkannt wurde. Ihr Sohn verließ jedoch die Wohnung gegen den Willen der Klägerin ab 1.11.1996 und zog zu seiner Tante, Frau … (W.), bei welcher er seitdem lebt. Die persönlichen, familiären Kontakte des Kindes zu seinen Eltern und umgekehrt waren insoweit abgebrochen, als jegliche gegenseitigen Besuche entfielen. Der Vater zahlt Unterhalt. Die Klägerin bot dem Kind Naturalunterhalt an, den dieser nicht in Anspruch nahm. Eine Zivilklage zur Zahlung von Barunterhalt des zunächst von W. als Ergänzungspflegerin vertretenen Kindes wurde durch Vergleich vom 8.10.1997 in der Weise beendet, daß sich die Klägerin verpflichtete, ab Oktober 1997 monatlichen Unterhalt in Höhe von 315 DM zu Händen von W. zu zahlen und daß das Kindergeld dem Kind direkt zufließt. Die Prozeßparteien waren sich einig, daß Unterhaltsrückstände nicht bestehen.

Nachdem der Vater bereits mit Erklärung vom 11.4.1991 sein Einverständnis erklärt hatte, daß der Klägerin das Kindergeld gewährt wird, erhielt diese die Leistungen bis einschließlich Juni 1997. Als bekannt wurde, daß das Kind nicht mehr im Haushalt der Mutter lebte, forderte der Beklagte … mit Bescheid vom 15.09.1997 das Kinddergeld für die Monate November 1996 bis Juni 1997 zurück, insgesamt 1.720 DM.

Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 13.11.1997).

Hiergegen richtet sich die Klage mit dem Antrag, den Rückforderungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Zur Begründung trägt die Klägerin vor, in dem streitigen Zeitraum habe kein Pflegekindschaftsverhältnis zu W. bestanden, die lediglich als Ergänzungspflegerin zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aufgetreten sei. Entscheidend sei, daß die Klägerin ihr Sorgerecht für das Kind auch nach dessen Auszug behalten habe, weshalb das Familiengericht auch den zivilrechtlichen Anspruch des Kindes auf Zahlung von Unterhalt und den Antrag auf Entzug des Sorgerechts der Klägerin abgelehnt habe. Diese Entscheidungen würden durch die Kindergeldgewährung an dritte Personen unterlaufen. Die Rechtslage habe sich erst mit Volljährigkeit des Kindes ab Juli 1997 geändert. Eine andere Beurteilung würde gegen Art. 6 Grundgesetz verstoßen. Das sei auch bei der Auslegung der Kindergeldvorschriften im Einkommensteuergesetz (EStG) zu beachten.

Das Arbeitsamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Gerichtsbescheid des Senats vom 9.4.1998 ist durch Antrag auf mündliche Verhandlung gegenstandslos geworden

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Zunächst ist zwar richtig, daß der Klägerin als leiblicher Mutter grundsätzlich eine Kindergeldberechtigung zustehen könnte (§ 63 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 EStG) und daß dieser Anspruch – isoliert gesehen – nicht von der Haushaltszugehörigkeit des Kindes abhängt.

Dieser Anspruch kann jedoch durch die Anspruchsberechtigung anderer Personen überlagert sein. Nach § 64 Abs. 1 EStG wird Kindergeld für jedes Kind nur einem Berechtigten gezahlt und auch nicht aufgeteilt. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 EStG). Ist das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen, so erhält Kindergeld derjenige, der dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt (§ 64 Abs. 3 EStG). Der Gesetzgeber hat sich dabei maßgeblich vom Obhutprinzip leiten lassen. Das Kindergeld soll demjenigen gezahlt werden, der am meisten mit dem Kindesunterhalt belastet ist, sei es durch Aufnahme in seinen Haushalt, sei es durch Übernahme der Unterhaltskosten. Das ist zwar nach allgemeiner Lebenserfahrung in der Regel derjenige Berechtigte, der das Kind in seiner Obhut hat, es also betreut, erzieht und versorgt. Ob dies de...

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