Entscheidungsstichwort (Thema)

Zufluss bei Hinterlegung wegen Ungewissheit des Gläubigers nach § 372 Satz 2 BGB

 

Leitsatz (redaktionell)

Hinterlegt der Schuldner einer abgetretenen und gepfändeten Forderung wegen der Unkenntnis über den Empfänger nach § 372 Satz 2 BGB Geldbeträge beim Amtsgericht, so ist ein Zufluss beim alten Gläubiger erst anzunehmen, wenn an den neuen Gläubiger bzw. den Pfändungsgläubiger gezahlt wurde.

 

Normenkette

EStG § 11 Abs. 1; BGB § 372 S. 2; HinterlO § 12

 

Tenor

1. In Änderung des Einkommensteueränderungsbescheids 1999 vom 27. Februar 2004 wird die Einkommensteuer 1999 auf … festgesetzt.

2. Die bis zur Umstellung des Klageantrags in der mündlichen Verhandlung angefallenen Kosten des Verfahrens tragen die Kläger und der Beklagte je zur Hälfte, danach der Beklagte.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung von beim Amtsgericht hinterlegten Geldbeträgen.

Der Kläger, der von Beruf Kaufmann ist, betrieb u.a. im Streitjahr 1999 das Einzelunternehmen C, das er am 25. Oktober 2000 aufgab, und erzielte – wie auch seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau, die Klägerin – Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit im Bereich der Pflegedienstleistungen. Außerdem ist er Alleingesellschafter und -geschäftsführer der am 29. Juni 1990 gegründeten Firma C-GmbH in M, die mit Computern und Software handelt.

Am 12. Juli 1996 erließ das Finanzamt A gegenüber dem Kläger als Geschäftsführer der C-GmbH einen Haftungsbescheid nach § 69 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 34 AO wegen Umsatzsteuer (USt) in Höhe von 90.078,92 DM, die die C-GmbH schuldete. Am 10. Dezember 1997 trat der Kläger an die Klägerin seine ihm gegen die S zustehenden Forderungen ab. Das Finanzamt B pfändete mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 2. Februar 1999 die dem Kläger gegenüber S zustehenden Lohn- und Gehaltsforderungen wegen der geschuldeten Abgaben aus dem Haftungsbescheid vom 12. Juli 1996.

Vor dem Arbeitsgericht M schlössen der Kläger und S am 18. Februar 1999 einen Vergleich, in dem sich S verpflichtete, an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 50.000 DM in 22 monatliche Raten zu je 2.250 DM und einer Schlussrate in Höhe von 500 DM zu zahlen (Fälligkeit der 1. Rate am 15. April 1999). In der Folgezeit zahlte S auf Grund dieses Vergleichs im Streitjahr 1999 Beträge in Höhe von 20.250 DM (9 × 2.250 DM), die S wegen Ungewissheit des Empfängers gemäß § 372 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unter Verzicht auf das Recht der Rücknahme beim Amtsgericht wegen der Pfändung und der Abtretung hinterlegte. In dem Hinterlegungsverfahren (Geschäfts-Nr.) wurden bisher keinerlei Zahlungen geleistet.

Mit Strafurteil vom 21. März 2000 wurde der Kläger wegen Steuerhinterziehung in 21 Fällen (u.a. von Umsatzsteuer 1990 bis 1995 der C-GmbH) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt. Auf das Urteil wird gemäß § 105 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) verwiesen.

In der Einkommensteuererklärung 1999 gab der Kläger bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit als Entschädigung den von S 1999 hinterlegten Betrag in Höhe von 20.250 DM abzüglich eines Freibetrags in Höhe von 16.000 DM an. Außerdem erklärte er bei den nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelten gewerblichen Einkünften aus seinem Einzelunternehmen einen Verlust in Höhe von 20.250 DM auf Grund von Acto.-Zahlungen auf die Umsatzsteuerschuld 1990. Mit Einkommensteuerbescheid 1999 vom 14. März 2001 wurde der auf die Entschädigungsleistung der S in Höhe von 20.250 DM entfallende Freibetrag nur mit 9.720 DM berücksichtigt, weil der Kläger 1999 nur 40,5 % der Gesamtsumme von 50.000 DM erhalten habe. Der Verlust aus Gewerbebetrieb wurde lediglich mit 515 DM angesetzt, weil 1999 nur in dieser Höhe Umsatzsteuerzahlungen geleistet worden seien.

Der hiergegen erhobene Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 3. Januar 2003 als unbegründet zurückgewiesen.

Ihre Klage begründen die Kläger wie folgt: Der Betrag in Höhe von 20.250 DM sei rechtmäßig als Betriebsausgabe angesetzt worden, weil der Zahlungsfluss vom Kläger durch die Vergleichsurkunde und den Nachweis des Amtsgerichts über die Hinterlegung nachgewiesen worden sei. Wenn der Zahlungsfluss der von S geleisteten Raten an den Kläger unterstellt werde, so habe auch die Zahlung vom Kläger an das Finanzamt stattgefunden, weil das Geld seinen Verfügungsbereich bereits verlassen habe. Auf Grund der von der Finanzverwaltung so festgelegten Reihenfolge sei USt vor Einkommensteuer zu begleichen. Das Finanzamt habe neben der zweiten Abtretungsempfängerin das alleinige Verfügungsrecht. Die Untätigkeit des Finanzamts B könne nicht zum Nachteil des Klägers au...

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