Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichteinhaltung der fünfjährigen Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG bei Umwandlung der grundbesitzenden Gesamthand in eine Kapitalgesesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Werden 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft 1 (hier: KG) in eine Personengesellschaft 2 (hier: ebenfalls KG) eingebracht, sind dieselben Gesellschafter im selben Verhältnis an den beiden Gesellschaften beteiligt und ist diese Einbringung nach § 1 Abs. 2a GrEStG deswegen zwar steuerbar, jedoch nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG steuerfrei, so entfällt gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG die Steuerbefreiung in Höhe von 100 % rückwirkend im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in Verbindung mit § 175 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 AO, wenn die Personengesellschaft 1 innerhalb von fünf Jahren nach der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs gemäß § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt wird. Die die Gesamthand kennzeichnende unmittelbare dingliche Mitberechtigung der Gesamthänder am Gesellschaftsvermögen, die für die Nichterhebung der Steuer nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG entscheidend war, geht dadurch verloren (vgl. BFH, Urteil v. 29.2.2012, II R 57/09, BStBl 2012 II S. 917).

2. Eine nunmehrige Beteiligung der früheren Gesamthänder – ob mittelbar oder unmittelbar – an einer grundstücksbesitzenden Kapitalgesellschaft genügt nicht den Anforderungen des § 6 Abs. 3 GrEStG. Durch die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft kann der Zweck des § 6 Abs. 3 GrEStG nicht erreicht werden (vgl. BFH, Urteil v. 4.4.2001, II R 57/98, BStBl 2001 II S. 587).

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 2a, § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Sätze 1-2; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Alt. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.03.2024; Aktenzeichen II R 33/22)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten u.a. darüber, ob dem Erlass des streitgegenständlichen Grunderwerbsteuerbescheides eine bestandskräftige Steuerfestsetzung entgegenstand.

KG1 war Eigentümerin eines 527 qm großen, mit einem Büro- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks in XStadt.

Jedenfalls seit 2006 waren an der KG1 als Kommanditisten A i.H.v. 58,9 %, B i.H.v. 36,1 %, die KG2 i.H.v. 5 % sowie als Komplementärin die GmbH beteiligt.

Mit Einbringungsvertrag vom 30. September 2011 brachten A und B ihre Anteile an der KG1 mit rechtlicher Wirkung zum 1. Oktober 2011 in die KG3 ein. An der KG3 waren als Kommanditisten A i.H.v. 62 %, B i.H.v. 38 %, sowie als Komplementärin die GmbH2 beteiligt. Am Stammkapital der GmbH2 waren A i.H.v. 62 %, B i.H.v. 38 % beteiligt. Nunmehr waren an der KG1 die KG2 i.H.v. 5 %, sowie die KG3 i.H.v. 95 % beteiligt.

Mit notariell beurkundetem Geschäftsanteilsabtretungsvertrag vom 10. Mai 2012 übertrugen A und B ihre Anteile an der KG3 und an der GmbH2 an ihre Kinder. Der Abtretungsvertrag wurde dem beklagten Finanzamt (FA) am 11. Juni 2012 von einem anderen Finanzamte übersandt. Mit Bescheid vom 25. Juli 2012 stellte das FA für den gem. § 1 Abs. 2a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) steuerbaren Erwerb vom 10. Mai 2012 die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer gem. § 17 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG gesondert fest und gewährte die Steuervergünstigung gem. § 6 Abs. 3 i.V.m. § 3 Nr. 6 GrEStG i.H.v. 100 %.

Am 28. August 2012 veräußerte die KG2 ihre 5 % Anteile an der KG1 an die KG3.

Am 29. August 2012 wurde die KG1 formwechselnd in die Klägerin, die Klägerin, eine GmbH, umgewandelt. Der Formwechsel erfolgte im Innenverhältnis mit handelsrechtlichem Übertragungsstichtag zum 1. Januar 2012, 00.00 Uhr, steuerrechtlicher Übertragungsstichtag war der 31. Dezember 2011, 24.00 Uhr.

Am 24. September 2012 wurde die KG1 im Handelsregister gelöscht.

Nachdem das FA durch eine Kontrollmitteilung im Jahr 2014 von der Einbringung der Anteile der A und des B an der KG1 zum 1. Oktober 2011 in die KG3 erfahren hatte, bat das FA die KG1 unter Hinweis auf § 1 Abs. 2a GrEStG sowie die Anzeigepflicht des § 19 GrEStG um die Übersendung diverser Unterlagen, u.a. des Einbringungsvertrages. Mit Schreiben vom 14. November 2014 übersandte die Klägerin dem FA u.a. den Einbringungsvertrag vom 30. September 2011.

Mit an die KG1 gerichtetem Grunderwerbsteuerbescheid vom 8. April 2015 stellte das FA fest, dass die Einbringung der Anteile von A und B an der KG1 zum 1. Oktober 2011 in die KG3 zu einem gem. § 1 Abs. 2a GrEStG steuerpflichtigen Wechsel im Gesellschafterbestand der KG1 geführt hatte, stellte diesen Erwerb jedoch gem. § 6 Abs. 3 GrEStG von der Steuer frei.

Mit an die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der KG1 gerichtetem „Erstbescheid” vom 2. Februar 2018 setzte das FA aus einer geschätzten Bemessungsgrundlage i.H.v. …EUR Grunderwerbsteuer i.H.v. … EUR fest. Wegen der Einbringung der Anteile von A und B an der KG1 zum 1. Oktober 2011 in die KG3 sah das FA die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG als erfüllt...

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