Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Änderungsmöglichkeit eines Kindergeldbescheids bei Versäumen der Einspruchsfrist. Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei korrekter Rechtsbehelfsbelehrung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Behörde ist bei telefonisch vorgetragenen Einwendungen gegen einen belastenden Bescheid nicht verpflichtet, über die schriftlich erteilte Rechtsbehelfsbelehrung hinaus von sich aus nochmals auf Form- und Fristerfordernisse der Einspruchseinlegung hinzuweisen.

2. Eine Änderung einer Kindergeldprognoseentscheidung nach § 70 Abs. 4 EStG scheidet aus, wenn die begehrte Änderung nicht allein auf einem nachträglichen Bekanntwerden des Unterschreitens der Einkünfte-/Bezügegrenze beruht, sondern zudem auf dem nachträglichen Bekanntwerden anderer Tatsachen (hier: Fortbestehen eines Ausbildungsverhältnisses durch Vorlage der angeforderten Ausbildungsbescheinigung).

 

Normenkette

AO § 355 Abs. 1 S. 1, § 357 Abs. 1, § 110 Abs. 1, § 172 Abs. 1 Nr. 2, § 173 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 70 Abs. 2, 4

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine Änderung des Kindergeldablehnungsbescheides wegen Bestandskraft ausgeschlossen ist.

I.

Der Kläger (Kl) ist der Vater der am…09.1980 geborenen H.

Mit Schreiben vom 04.02.2004, 18.03.2004, 26.04.2004 und 07.02.2005 forderte die Beklagte (die Familienkasse –FK–) vom Kl weitere Unterlagen zur Prüfung des Kindergeldanspruchs an. Mangels Vorlage dieser Unterlagen lehnte die FK mit Bescheid vom 31.03.2005 (laut Absendevermerk am 01.04.2005 abgesandt) die Kindergeldfestsetzung für H ab Januar 2004 ab. Laut Aktenvermerk der FK rief am 11.04.2005 H bei der FK an. Sie teilte mit, dass alle angeforderten Unterlagen von ihr eingereicht worden seien. Daraufhin wurde telefonisch mit dem Sachbearbeiter vereinbart, dass die Unterlagen nochmals eingereicht werden sollen. Laut E-Mail des Service-Centers der FK rief H am 04.10.2005 erneut an. Danach teilte H in dem Telefonat mit, dass sie bereits vor über einem Jahr einen Abzweigungsantrag gestellt und die Unterlagen schon zweimal an die richtige Adresse geschickt habe. Sie schicke sie jetzt noch einmal.

Mit Formblattschreiben vom 14.12.2005 beantragte der Kl erneut Kindergeld und reichte eine Ausbildungsbescheinigung vom 14.12.2005 ein. Diesem Antrag entsprach die FK mit Bescheid vom 29.03.2006 nur für die Zeit ab Mai 2005. Bis einschließlich April 2005 lehnte die FK die Kindergeldfestsetzung unter Verweis auf die Bestandskraftwirkung des Bescheides vom 31.03.2005 ab.

Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die FK mit Einspruchsentscheidung vom 29.11.2006 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Der Kl habe aufgrund des auf den Anruf der H erfolgten Telefongesprächs mit dem Sachbearbeiter davon ausgehen können, dass eine offizielle Einspruchseinlegung nicht notwendig sei. Der Kl habe auf diese Auskunft vertrauen dürfen, da er nicht darauf hingewiesen worden sei, dass durch die Einreichung der Unterlagen die Einspruchsfrist nicht gewahrt werde und der Bescheid vom 29.03.2005 bestandskräftig werde. Die FK könne sich daher nicht auf den Ablauf der Einspruchsfrist berufen. Vorsorglich werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zudem lägen die Voraussetzungen des § 173 Abgabenordnung –AO– vor, da der Kl alle notwendigen Unterlagen vorgelegt habe.

Der Kl beantragt,

die Bescheide vom 31.03.2005 und 29.03.2006 aufzuheben und die FK zu verpflichten, an den Kl 2.464 EUR zu bezahlen.

Die FK beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie unter Bezugnahme auf die Gründe der Einspruchsentscheidung vor allem darauf, dass im Bescheid vom 31.03.2005 ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass auf einen neuen Antrag Kindergeld nur für den auf die Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids folgenden Monat gezahlt werden könne, wenn nicht rechtzeitig Einspruch eingelegt wird. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitere bereits an der Jahresfrist des § 110 Abs. 3 AO.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 26.12.2006, 27.04.2007 und 25.06.2007 sowie den Schriftsatz der FK vom 13.06.2007 Bezug genommen.

Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 10.12.2007 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Klage ist unbegründet.

a) Der angefochtene Bescheid vom 31.03.2005 hat infolge Versäumung der Einspruchsfrist Bestandskraft erlangt.

Nach § 355 Abs. 1 S. 1 AO ist der Einspruch gegen den ablehnenden Bescheid der FK innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes einzulegen. Im vorliegenden Fall gilt der am 01.04.2005 zur Post gegebene Bescheid als am 04.04.2005 bekannt gegeben (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO). Die einmonatige Einspruchsfrist e...

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