Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf vorläufige Veranlagung im Hinblick auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von Grundstücks- und Wertpapierveräußerungsgeschäften im Jahr 2000. Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich privater Veräußerungsgeschäfte. Einkommensteuer 2000

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das FA muss einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 mit einem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte nicht vorläufig nach § 165 AO im Hinblick auf die mögliche Verfassungswidrigkeit der in dem Bescheid nach § 23 EStG erfassten Gewinne aus Grundstücks- und Wertpapierveräußerungsgeschäften veranlagen.

2. Kommt in diesem Fall ein Verlustrücktrag nicht in Betracht, muss der Steuerpflichtige den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Verlustvortrags anfechten, wenn er von einer eventuellen späteren Nichtigerklärung von § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG (rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist auf 10 Jahre auch in den Fällen, in denen die frühere zweijährige Frist bereits am 1.1.1999 abgelaufen war) bzw. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG (strukturelles Vollzugsdefizit bei der Besteuerung der Wertpapierveräußerungsgeschäfte) durch das Bundesverfassungsgericht profitieren will.

3. Ein von einem fachkundigen Bevollmächtigten in diesem Fall ausdrücklich und nur gegen den Einkommensteuerbescheid eingelegter Einspruch kann nicht in einen Einspruch gegen den Bescheid über die Feststellung des Verlustvortrags umgedeutet werden. Das FA war in diesem Fall auch nicht verpflichtet, den Steuerberater auf die Anfechtung des „richtigen” Bescheides hinzuweisen, so dass aufgrund des dem Steuerpflichtigen zuzurechnenden Verschuldens des Beraters eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Einspruchsfrist gegen den Bescheid über die Feststellung des Verlustvortrags ausscheidet.

 

Normenkette

AO § 165 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2, § 110 Abs. 1; EStG 2000 § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1, Nr. 2, § 10d Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger (Kl) wird beim Beklagten (Finanzamt -FA-) zur Einkommensteuer veranlagt.

Das FA führte die Veranlagung für das Streitjahr (2000) insofern abweichend von der eingereichten Steuererklärung durch, als es die erklärten Verluste aus Vermietung und Verpachtung mit insgesamt ./. 127.258.– DM etwas niedriger ansetzte. Die erklärten Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (Grundstücksgeschäfte: 12.655 DM, Wertpapiergeschäfte: 10.525 DM), hinsichtlich deren Verfassungsmäßigkeit der Kl in der Einkommensteuererklärung um vorläufige Veranlagung gebeten hatte, wurden im Einkommensteuerbescheid 2000 vom 6. Juni 2002 zwar unverändert übernommen, der gewünschte Vorläufigkeitsvermerk aber nicht beigefügt.

Der Gesamtbetrag der Einkünfte belief sich nach dem Steuerbescheid auf ./. 87.731 DM. Die festgesetzte Einkommensteuer betrug 0 DM. Auch die Einkommensteuer 1999 war bereits mit 0 DM festgesetzt worden (Einkommensteuerbescheid 1999 vom 31. Mai 2001).

Entsprechend wurde im Bescheid vom 6. Juni 2002 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2000 der verbleibende Verlustabzug auf ./. 168.623 DM festgestellt. Der zu diesem Stichtag verbleibende Verlustvortrag für Altverluste wurde vom davor liegenden Stichtag unverändert mit ./. 126.128 DM übernommen.

Mit Schreiben vom 11. Juni 2002 legte der steuerliche Vertreter Einspruch gegen „den Einkommensteuer-Bescheid für 2000 vom 06.06.2002” ein.

Als Begründung führte er aus, dass bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften bei Grundstücken verfassungsrechtliche Zweifel bestünden, ob Anschaffungsvorgänge, bei denen die 2 – jährige Spekulationsfrist bereits vor dem 1. Januar 1999 geendet hat, in die verlängerte Spekulationsfrist von 10 Jahren einbezogen werden dürften. Ebenso sei ein Verfahren hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Spekulationsgewinnen aus Wertpapierverkäufen anhängig. Er beantrage daher, das Verfahren ruhen zu lassen, um etwaige Änderungen hinsichtlich des § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigen zu können.

Mit Schreiben vom 18. Juni 2002 wies das Finanzamt den Steuerberater darauf hin, dass sein Einspruch unzulässig sei, da er sich gegen eine Steuerfestsetzung von 0 DM richte und somit keine Beschwer gegeben sei.

Dem hielt der steuerliche Vertreter entgegen, dass eine Beschwer dahingehend vorliege, dass Verluste aus Vermietung und Verpachtung aufgrund der Verrechnung mit den Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften nicht im Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2000 angesetzt werden. Deshalb ergebe sich aufgrund der zu niedrigen Verlustvorträge eine Beschwer in den Folgejahren. Der Einkommensteuerbescheid sei im Verhältnis zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags Grundlagenbescheid. Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid sei...

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