rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtigkeit eines Nachforderungsbescheides wegen inhaltlicher Unbestimmtheit bei unterbliebenem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Nachforderungsbescheid wegen unterbliebenen Steuerabzugs nach § 50a Abs. 4 EStG ist wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig, wenn der Vergütungsgläubiger nicht erkennbar ist und als Steuerart Einkommensteuer anstelle von Körperschaftsteuer angegenben wird.

2. Hebt das Finanzamt einen Nachforderungsbescheid wegen unterbliebenen Steuerabzugs nach § 50a Abs. 4 EStG, in dem die unzutreffende Steuerart genannt ist, nach Einspruch ersatzlos auf, so kann der Erlass eines inhaltlich richtigen Nachforderungsbescheids nicht auf § 174 Abs. 4 AO gestützt werden.

 

Normenkette

EStG 2004 § 50a Abs. 4; AO § 125 Abs. 1, § 126 Abs. 1 Nr. 2, § 174 Abs. 4, § 367 Abs. 2

 

Tenor

1. Die Vollziehung der Nachforderungsbescheide vom 10. September 2009 für die Zeiträume I-IV 1997, I-IV 1998, I-IV 1999 und die hierzu erlassene Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2009 wird für die Dauer des Klageverfahrens ausgesetzt.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist im Hauptsacheverfahren die Rechtmäßigkeit der Nachforderungsbescheide nach § 50a Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) vom 10. September 2009.

Nach einer beim Antragsteller durchgeführten Betriebsprüfung erließ der Antragsgegner (das Finanzamt) mit Datum vom 1. Dezember 2004 Nachforderungsbescheide wegen unterbliebener Steuerabzüge nach § 50a Abs. 5 EStG für Lizenzzahlungen ins Ausland in den Jahren 1997 bis 1999. Auf den Inhalt der Bescheide wird hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen. Auf den Einspruch des Antragstellers hin hob das Finanzamt mit Verwaltungsakt vom 10. September 2009 die angefochtenen Nachforderungsbescheide auf. Ebenfalls mit Datum vom 10. September 2009 erließ das Finanzamt – gestützt auf § 174 Abs. 4 Abgabenordnung (AO) – abermals Nachforderungsbescheide wegen unterbliebener Steuerabzüge nach § 50a Abs. 5 EStG für den Zeitraum 1997 bis 1999. Im Unterschied zu den aufgehobenen Bescheiden wurden die Nachforderungen nunmehr auf Körperschaftsteueransprüche gestützt, die auf Lizenzzahlungen des Antragstellers an die Firma T, Österreich (1997) bzw. die Firmen T, Österreich und W, Großbritannien (1998 und 1999) beruhten.

Hiergegen erhob der Antragsteller Einspruch und machte geltend, dass die Voraussetzungen für den erneuten Erlass von Nachforderungsbescheiden nach § 174 Abs. 4 AO nicht vorgelegen hätten, weil die ursprünglicheren Nachforderungsbescheide nichtig gewesen seien. Zwischenzeitlich sei für den Erlass von Nachforderungsbescheiden die Festsetzungsverjährung eingetreten.

Das Finanzamt wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2009 als unbegründet zurück. Über die hiergegen eingelegte Klage (Az. 7 K 3331/09) hat der Senat noch nicht entschieden.

Die Antragstellerin beantragt nach vorheriger erfolgloser Antragstellung beim Finanzamt

die Aussetzung der Vollziehung der Nachforderungsbescheide vom 10. September 2009 für die Zeiträume I-IV 1997, I-IV 1998, I-IV 1999 und der hierzu erlassenen Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2009, hilfsweise die Zulassung der Beschwerde zum Bundesfinanzhof.

Das Finanzamt beantragt

die Ablehnung des Antrags.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 5. Dezember 2002, die Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2009, die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag ist begründet. Nach der im vorliegenden Verfahren erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Nachforderungsbescheide.

1. Da am 10. September 2009 die reguläre Festsetzungsverjährung für den Erlass der Nachforderungsbescheide für die Jahre 1997 bis 1999 auch unter Berücksichtigung der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Abgabenordnung (AO) bereits eingetreten war, durften diese nur unter den Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO ergehen. Dementsprechend hat das Finanzamt den Erlass der Nachforderungsbescheide – nach Aufhebung der Nachforderungsbescheide vom 1. Dezember 2004 – verfahrensrechtlich auf § 174 Abs. 4 AO gestützt. Die Voraussetzungen hierfür lagen jedoch nicht vor.

1.1 Voraussetzung für den Erlass oder die Änderung eines Steuerbescheids auf Grundlage von § 174 Abs. 4 AO ist, dass auf Grund irriger Beurteilung eines Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen ist, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird. § 174 Abs. 4 AO verlangt ferner, dass der aufgehobene oder geänderte Bescheid fehlerhaft, aber nicht nichtig (§ 125 AO) war (Bundesfinanzhof – BFH – Urteil vom 10. November 1993 I R 20/93, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1994, 327). Liegen diese Voraussetzungen vor, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung ein...

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