rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtswidrigkeit eines Nachentrichtungsbescheids gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen wegen unterlassenem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG bei fehlender Angabe des Vergütungsgläubigers (Steuerschuldners)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein in der Überschrift als „Nachforderungsbescheid” bezeichneter Verwaltungsakt kann als Steuerfestsetzung nach § 167 Abs. 1 S. 1 AO und nicht als Haftungsbescheid nach §§ 50a Abs. 5 S. 5 EStG i. V. m. § 73g EStDV auszulegen sein, auch wenn § 167 Abs. 1 S. 1 AO als Rechtsgrundlage im Bescheid nicht genannt und lediglich auf § 50a Abs. 5 EStG hingewiesen wird und auch in der Einspruchsentscheidung nur von der Haftung für nicht abgeführte Abzugssteuer die Rede ist.

2. Es ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht zulässig, dass das Finanzamt den Haftungsschuldner für Abzugsteuern nach § 50a Abs. 4 EStG a. F. (jetzt § 50a Abs. 1 EStG) anstelle eines Haftungsbescheids durch einen Nacherhebungsbescheid auf Grundlage von § 167 Abs. 1 S. 1 AO in Anspruch nimmt.

3. § 157 Abs. 1 AO stellt an einen Nacherhebungsbescheid nach § 167 Abs. 1 S. 1 AO, der an einen Steuerentrichtungspflichtigen gerichtet ist, keine anderen Anforderungen hinsichtlich Form und Inhalt als an einen unmittelbar an den Steuerschuldner gerichteten Steuerbescheid. In jedem Fall ist die Angabe des Steuerschuldners erforderlich.

4. Ob die fehlende Angabe des Vergütungsgläubigers (Steuerschuldners) zur Nichtigkeit des Nachforderungsbescheids oder nur zu seiner Rechtswidrigkeit führt, konnte im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung offen bleiben. Jedenfalls leidet der angefochtene Bescheid an einem Begründungsmangel, der geeignet ist, ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit zu begründen.

 

Normenkette

EStG 2002 § 50a Abs. 4 Nr. 3, Abs. 5; AO § 125 Abs. 1, § 157 Abs. 1, § 167 Abs. 1 S. 1; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2

 

Tenor

1. Die Vollziehung des Nachforderungsbescheids gemäß § 50a Abs. 5 EStG vom 16. Januar 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. November 2009 wird für die Dauer des Klageverfahrens in vollem Umfang ausgesetzt.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist im Hauptsacheverfahren, ob die Antragstellerin zum Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in der im Streitfall geltenden Fassung für an ausländische Prüfärzte geleistete Zahlungen verpflichtet ist.

Die Antragstellerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand Marketing und Unternehmensberatung im Bereich der medizinischen Forschung ist. Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass die Antragstellerin in den Jahren 2001 bis 2006 ausländische Prüfärzte in Tschechien, Ungarn, Rumänien und der Ukraine mit der Durchführung von klinischen Studien von Medikamenten beauftragt hat. In diesem Rahmen wurde jeweils ein Dienstleistungsvertrag zwischen einer Pharmafirma (sog. Sponsor) und der Antragstellerin geschlossen. Die Antragstellerin wählte die ausländischen Prüfärzte aus und schloss mit diesen sog. Finanzverträge. Die Bezahlung der Prüfärzte erfolgte durch die Antragstellerin, ohne dass diese den Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG vornahm.

Nach Auffassung des Antragsgegners (des Finanzamts) sind die ausländischen Prüfärzte mit den von der Antragstellerin gezahlten Honoraren nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG beschränkt steuerpflichtig. Auf diese Zahlungen – so das Finanzamt – hätte die Antragstellerin den Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG vornehmen müssen, da keine Freistellungsbescheinigung des Bundesamts für Finanzen vorgelegen habe.

Am 16. Januar 2007 erließ das Finanzamt einen als „Nachforderungsbescheid” bezeichneten Verwaltungsakt gegenüber der Antragstellerin. Wörtlich heißt es in diesem: „Die o.g. Steuerschuldnerin schuldet die nachfolgend aufgeführten Steuern nach § 50a Abs. 5 EStG. Auf Grund des unterbliebenen Steuerabzugs nach § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG bestehen folgende. Ansprüche: …” Es folgt eine Aufgliederung der Kalendervierteljahre III 2001 bis I 2006 mit der Höhe der Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag jeweils in einem Betrag ohne Angabe der Bemessungsgrundlage und ohne Angabe der Vergütungsgläubiger. In der Begründung wird auf den Betriebsprüfungsbericht Bezug genommen.

Die Antragstellerin erhob dagegen Einspruch und begründete ihn damit, dass zum einen eine Verwertung der Studien im Inland nicht stattfinde und im übrigen die Verpflichtung zum Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG daran scheitere, dass sie nicht zivilrechtliche Vertragspartnerin der ausländischen Prüfärzte geworden sei, sondern sie nur als Vertreterin der Sponsoren gehandelt habe.

Das Finanzamt zog die Auftraggeber der Antragstellerin (Sponsoren) gemäß § 360 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) zum Einspruchsverfahren hinzu. Mit Einspruchsentscheidung vom 13. November 2009 wies es den Einspruch als unbegründet zurück. In den Entscheidungsgründen wurde die Inanspruchnahme der Antragstellerin wiederholt damit b...

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