Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Sicherheitsleistung für Vollziehungsaussetzung bei wahrscheinlichem Erlaß der im angefochtenem Bescheid festgesetzten Schuld. Aussetzung der Vollziehung in Sachen Haftung für Umsatzsteuer 1998 und 1999

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die in einer Rechnung für eine vorgetäuschte Lieferung unberechtigt ausgewiesene und gem. § 14 Abs. 3 UStG festgesetzte Umsatzsteuer ist dem Steuerschuldner zu erlassen, wenn der dem Rechnungsempfänger gewährte Vorsteuerabzug wieder rückgängig gemacht wird. Entsprechendes gilt zugunsten eines Haftungsschuldners, der für diese Umsatzsteuer durch einen Haftungsbescheid in Anspruch genommen worden ist.

2. Hat ein Haftungsschuldner den gegen ihn erlassenen Haftungsbescheid angefochten und Aussetzung der Vollziehung beantragt, so kann ihm diese – bei Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids – ohne Anordnung einer Sicherheitsleistung gewährt werden, wenn mit einem Erlöschen der Haftungsschuld durch Erlaß zu rechnen ist und daher selbst bei Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs kein Sicherungsbedürfnis für einen Zahlungsanspruch besteht.

 

Normenkette

UStG § 14 Abs. 3; AO §§ 163, 191, 227; FGO § 69 Abs. 2, 4

 

Gründe

I.

Im Haftungsbescheid vom 23.8.2000 wurde der Antragsteller (ASt) unter Berufung auf den Fahndungsbericht (FB) zu AB Nr. 437/99 S vom 07.08.2000 (Bl. 3 Haftungsakte) für Umsatzsteuer (USt) 1998 und 1999 des … (T) in Höhe von 2.543.569,60 DM in Anspruch genommen (Bl. 58 Haftungsakte). Der Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) hat diesen Bescheid auf Steuerhinterziehung nach § 71 AO gestützt, weil der ASt durch „Initiierung, Gestaltung und Unterhaltung eines Scheinkreislaufs” Steuern hinterzogen bzw. verkürzt habe. Nach Einspruchseinlegung vom 29.08.2000 (Bl. 66 Haftungsakte) gegen diesen Bescheid hat das FA durch Verfügung vom 07.09.2000 die Vollziehung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Haftungsbetrags ausgesetzt, den ASt aufgefordert die Sicherheit spätestens am 25.09.2000 zu leisten und ausgesprochen, dass die Aussetzung der Vollziehung (AdV) wirksam wird, sobald die Sicherheit geleistet ist.

Mit Antrag vom 14.09.2000 begehrt der ASt bei Gericht die AdV ohne Sicherheitsleistung. Zur Begründung des Antrags verweist der Senat auf die Schriftsätze des ASt vom 14.09. und 05.10.2000.

Der ASt beantragt,

die Vollziehung des Haftungsbescheids vom 23.08.2000 in vollem Umfang ohne Sicherheitsleistung bis zum Abschluss des Klageverfahrens auszusetzen.

Das FA beantragt die Ablehnung des Antrags.

Es hält den Antrag für unzulässig, weil der ASt das Gericht vor Ablauf der Zahlungsfrist am 25.09.2000 angerufen hat. Darüber hinaus hält es eine Sicherheitsleistung für notwendig. Wegen weiterer Einzelheiten verweist der Senat auf die Stellungnahme des FA vom 28.09.2000.

Dem Senat hat eine Akte „Haftung § 71 AO” des FA vorgelegen, auf deren Inhalt verwiesen wird.

II.

Der Antrag ist zulässig und teilweise begründet.

1. Zulässigkeit

Nach § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO ist die Anrufung des Gerichts nur zulässig, wenn die Finanzbehörde einen Antrag auf AdV ganz oder teilweise abgelehnt hat. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Denn durch die Verfügung des FA vom 07.09.2000 ist die AdV ausdrücklich unter der aufschiebenden Bedingung der Sicherheitsleistung gewährt worden. Solange die Bedingung nicht erfüllt ist, hat das FA die AdV nicht gewährt und damit abgelehnt. Dies gilt auch für die Zeit bis zum Ablauf der Frist, die das FA dem ASt für die Sicherheitsleistung eingeräumt hat. Denn mit seinem Antrag an das Gericht hat der ASt die Zulässigkeit der Anordnung einer Sicherheitsleistung nicht mehr bestritten, sondern auch ausdrücklich erklärt, dass er nicht bereit sei, eine Sicherheit zu leisten.

2. Begründetheit

Das FA hat durch seine Verfügung vom 07.09.2000 und seine im Schriftsatz vom … 28.09.2000 erklärte Bereitschaft, AdV gegen Sicherheitsleistung zu gewähren, eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass es ernstliche Zweifel i.S.d. § 69 FGO an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheids bejaht. Der Senat folgt dieser Auffassung im Hinblick auf die Erfüllung des Hinterziehungstatbestands durch den ASt.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Absatz 2 Satz 2 FGO kann die AdV von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Die Entscheidung darüber ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Maßgebender Ermessensgesichtspunkt ist in erster Linie, ob ohne Anordnung einer Sicherheitsleistung die Durchsetzung des Steueranspruchs im Falle des Unterliegens des Steuerpflichtigen gefährdet oder erschwert erscheint. Dies ist aus folgenden Gründen nicht der Fall.

T hat nach den Feststellungen im Fahndungsbericht umsatzsteuerbare Leistungen weder bezogen, noch ausgeführt. Vielmehr seien die in seinen Steueranmeldungen angegebenen Leistungsbezüge von der … (W) und Umsätze an die Firmen des … (N) nur zur Vortäuschung höherer Umsätze der W erklärt worden. Daher ist in den Eingangs- und Ausgangsrechnungen des T USt unberechtigt ausgewiesen. Die in seinen Ausgangs...

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