Nachteile bei Organschaft: Das BMF berücksichtigt die deutschen Regelungen zur umsatzsteuerlichen Organschaft, was sich in besonderen Fallkonstellationen nachteilig für die Unternehmer auswirkt, die am OSS-Verfahren teilnehmen möchten. In Abschn. 18j.1 Abs. 1 S. 3 und 4 UStAE wird bestimmt, dass nur der Organträger das Wahlrecht zur Teilnahme am OSS-Verfahren ausüben kann, nicht jedoch die einzelne Organgesellschaft. Außerdem ist das OSS-Verfahren für sonstige Leistungen nur in den Ländern anwendbar, in denen "der Organkreis weder einen Sitz noch eine Betriebsstätte" hat.

Da die Organschaft in Art. 11 der MwSt-Systemrichtlinie nur sehr allgemein definiert ist und von den Mitgliedstaaten wahlweise umgesetzt werden kann, erscheint es fraglich, ob diese restriktive Anwendung der Organschaftsregelungen beim Vorliegen von Betriebsstätten[6] im Ausland mit EU-Recht vereinbar ist. Die Begrenzung der Regelung auf sonstige Leistungen, d.h. ohne Fernverkäufe von Gegenständen, wird durch das BMF nicht weiter begründet.

In der Praxis bedeutet dies für betroffene Organkreise Folgendes:

  • Jede Organgesellschaft muss sich mit dem Organträger abstimmen und diesem quartalsweise ihre im OSS-Verfahren zu meldenden Umsätze mitteilen. Der Organträger (OT) muss dann die Fernverkäufe bzw. sonstigen B2C-Leistungen aller Organgesellschaften zusammenführen und insgesamt an das BZSt melden sowie die Gesamtzahlung der Umsatzsteuer für alle EU-Länder leisten. Bei späteren Betriebsprüfungen stellt sich dann ggf. die Frage, wie erkennbar ist, welche Organgesellschaft die zu prüfenden Umsätze ausgeführt hat. Außerdem muss der OT organisatorisch die Verbuchung der Zahlungen der einzelnen OG und die korrekte Abgabe der OSS-Meldungen sicherstellen. Ein Wahlrecht zur Abgabe der Meldungen durch die einzelne Organgesellschaft (OG) selbst wäre hier in vielen Fällen einfacher.
  • Der OT muss laufend den Organkreis überwachen, falls einzelne OG im Ausland umsatzsteuerliche Betriebstätten begründen. In diesen Ländern ist dann nach Auffassung des BMF das OSS-Verfahren für alle OG nicht mehr anwendbar. Dies gilt unabhängig davon, ob die sonstigen Leistungen durch diejenige OG erbracht werden, die die Betriebsstätte eröffnet hat, oder durch eine andere OG. Nicht geregelt ist, wie neue Betriebsstätten dem BZSt mitzuteilen sind. Die OG mit Auslandsbetriebsstätte hat im Regelfall eigene USt-Meldepflichten im jeweiligen Land zu erfüllen und benötigt daher die Vereinfachung des OSS-Verfahrens nicht mehr. Dies gilt jedoch nicht für die übrigen Mitglieder des Organkreises.
 

Fortführung des Beispiels

OG1 hat den OT über ihre Absicht informiert, am OSS-Verfahren teilzunehmen. Der OT hat sich beim BZSt registriert. Im Zeitpunkt der Registrierung verfügt die OG2 über eine Betriebsstätte in Spanien. OG1 muss daher entweder sicherstellen, dass spanische Kunden ohne gültige USt ID Nr. die elektronischen Leistungen nicht kaufen können oder OG1 muss sich in Spanien für Umsatzsteuerzwecke registrieren lassen, um ihre B2C-Umsätze dort zu versteuern.

Nach zwei Jahren gründet OG3 eine Betriebsstätte in Polen. Der OT muss dann OG1 informieren, dass auch polnische B2C-Kunden vom Erwerb der elektronischen Leistungen ausgeschlossen werden müssen oder OG1 muss sich in Polen umsatzsteuerlich registrieren lassen und dort Steueranmeldungen abgeben.

Dem Vereinfachungsgedanken der One Stop Shop-Regelung wird diese unnötig komplizierte Verfahrensweise nicht gerecht.[7] Da "die Wirkungen der Organschaft auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt" sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 UStG), ist nicht nachvollziehbar, warum die Organschaft sich auf die Versteuerung von im EU-Ausland steuerbaren Umsätzen auswirken soll.

Die Finanzverwaltung stellt zur Organschaft in Abschn. 2.9 Abs. 6 S. 7 u. 8 UStAE selbst fest, dass im Ausland gelegene Betriebsstätten nur dem jeweiligen Organkreisbeteiligten zuzurechnen sind, also dem OT bei einer eigenen Auslandsbetriebsstätte des OT oder die Betriebsstätte der jeweiligen OG. Ausländische OG-Betriebsstätten gehören nicht zum Unternehmen des OT und Umsätze zwischen OG und den ausländischen Betriebsstätten anderer OG stellen keine Innenumsätze dar. Die für das Inland postulierte Unternehmenseinheit von OT, OG und deren Betriebsstätten wird damit für Betriebsstätten im Ausland aufgehoben. Die Regelung in Abschn. 18j Abs. 1 S. 4 UStAE, die von einem Gesamtunternehmen des OT einschließlich aller ausländische Betriebsstätten aller Organkreisangehörigen ausgeht, steht somit im Widerspruch zum Verständnis der Organschaft durch das BMF selbst.

EuGH-Rechtsprechung: Die Auffassung, dass eine ausländische Betriebsstätte und deren inländisches Stammhaus ein einheitliches Unternehmen bilden, zwischen denen keine steuerbaren Umsätze ausgeführt werden, bestätigte der EuGH in seinem Urteil "FCE".[8] Anders sieht der EuGH jedoch die Leistungen zwischen einem Organkreis und dessen ausländischen Betriebsstätten. In diesem Fall sieht der EuGH den Organk...

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