Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Zufluss von Zinseinnahmen bei Konkursreife im Fälligkeitszeitpunkt

 

Leitsatz (redaktionell)

Im Fall der Schuldnovation ist ein Zufluss von Zinsen i.S. des § 11 EStG nicht gegeben, wenn der Darlehnsschuldner im Fälligkeitszeitpunkt infolge Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit konkurs- bzw. insolvenzreif ist (zugleich Abgrenzung zu den sog. "Ambros-Fällen").

 

Normenkette

EStG § 11 Abs. 1 S. 1, § 20 Abs. 1, 1 S. 7, § 11 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Frage, ob im Streitjahr 1988 Zinsen aus einer Kapitalanlage i.H. von 20.725 DM den Klägern als zugeflossen zu behandeln sind.

Die Kläger sind im Streitjahr 1988 zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger bezog als Elektrotechniker Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Mit der Firma I.-GmbH (I.), der Fa. H.-GmbH (H.) und der Fa. J.- Unternehmensgruppe K – schloss er folgende Darlehensverträge ab:

Vertragspartner

Datum

Kapital in DM

Zinssatz in %

I.

16.05.1984

30.000

12

H.

12.09.1983

40.000

12

J.

07.02.1984

30.000

12

J.

22.04.1985

50.000

10

J.

23.12.1984

20.000

10

J.

23.12.1983

20.000

18

J.

01.10.1984

10.000

12

Gemäß Nr. 2 der Darlehensverträge betrug die Laufzeit der Darlehen 24 Monate. Sie verlängerte sich automatisch um die gleiche Zeit mit gleichem Zins, wenn nicht innerhalb von zwei Monaten vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit gekündigt wurde. Gemäß Nr. 3 war das Zinsguthaben jährlich zu vergüten. Betreffend das Darlehen vom 16.5.1984 über 30.000 DM wurde in einer Nebenabrede vereinbart, dass der Anlagebetrag zuzüglich Zinsen (erst) nach Ablauf der Laufzeit in einer Summe zurückgezahlt wird.

Über das Vermögen des Kaufmanns K., des Inhabers der oben genannten Unternehmen, wurde auf Antrag vom 30.11.1990 mit Beschluss des Amtsgerichts E. vom 14.10.1991 in dem Verfahren … das Konkursverfahren eröffnet. Dieses Konkursverfahren wurde nach Abhaltung des Schlußtermins mit Beschluss des Amtsgerichts E. vom 31.1.1995 aufgehoben.

In ihrer am 5.10.1989 beim Beklagten eingegangenen Einkommensteuererklärung für das Jahr 1988 erklärten die Kläger Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen i.H.v. 33.855 DM [nicht wie schriftsätzlich vorgetragen 33.951 DM]. Der Beklagte setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr mit Bescheid vom 11.12.1989 erklärungsgemäß fest. Bei einem zu versteuernden Einkommen von 102.837 DM ergab sich eine nach der Splittingtabelle festgesetzte Einkommensteuer von 27.762 DM.

Gegen diesen Einkommensteuerbescheid 1988 vom 11.12.1989 legten die Kläger mit Schreiben vom 19.12.1989 Einspruch ein und beantragten, die Einkünfte aus Kapitalvermögen um die erklärten Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen zu vermindern. Zur Begründung führten die Kläger – nunmehr steuerlich vertreten – mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 9.2.1990 Folgendes aus:

1. Von den erklärten Zinserträgen i.H. von insgesamt 33.855 DM sei ein Betrag i.H.v. 13.130,– DM wegen einer bestehenden Treuhandschaft nicht dem Kläger, sondern seinen beiden Nichten in der DDR, Frau L. und Frau U., als Treugeber steuerlich zuzurechnen. Da die abweichende Zurechnung nach § 159 der Abgabenordnung (AO) davon abhänge, dass die Treuhandschaft nachgewiesen werde, hätten die Kläger sich bisher mangels Nachweisbarkeit nicht darauf berufen. Zwischenzeitlich lägen aber entsprechende Erklärungen der beiden Treugeberinnen vor.

2. Die restlichen Zinserträge i.H.v. 20.725,– DM seien dem Kläger nicht im Sinne des § 11 EStG zugeflossen, da vereinbarungsgemäß – aufgrund einer im Voraus mit den Darlehensschuldnern (den o.a. Unternehmen der Unternehmsgruppe K) getroffenen Vereinbarung – gutgeschriebene Zinsen jeweils dem Kapital zugeschlagen und erneut verzinst werden sollten. Aus dieser Gutschrift in den Büchern der Darlehensschuldner könne jedoch kein steuerlicher Zufluss beim Kläger abgeleitet werden, da die Zinserträge nicht zu ihrer Verwendung zur Verfügung gestanden hätten. Da in 1990 über das Vermögen der Darlehensschuldner das Konkursverfahren eröffnet worden sei, könne nach dem derzeitigen Sachstand mit einer Realisierung der Forderungen nicht mehr gerechnet werden. Dies belegten die Berichte des zunächst zum Sequester und sodann zum Konkursverwalter bestellten Rechtsbeistands T. vom 12.11.1990 und vom 3.12.1990

Mit Einspruchsentscheidung vom 20.6.1994 half der Beklagte hinsichtlich der Zinserträge i.H.v. 13.130 DM aus den bestehenden Treuhandschaften dem Einspruch ab. Im übrigen wies er den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er Folgendes aus:

Gemäß § 11 Abs. 1 EStG seien Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen seien. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien Einnahmen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen könne oder verfügt habe. Zugeflossen seien auch Einnahmen, die der Schuldner dem Gläubiger am Fälligkeitstag in seinen Büchern gutschreibe. Eine G...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge