rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuerbelastung 1991 verstößt nicht gegen Art. 14 GG

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO kommt nicht in Betracht, wenn dasMusterverfahren vor dem BVerfG nach Ansicht des Finanzgerichts offensichtlichaussichtslos ist. Dies ist für die Anwendung des sog. Halbteilungsgrundsatzes auf dieGesamtbelastung mit direkten Steuern in 1991 nach dem Vermögensteuerbeschluß desBVerfG vom 22.06.1995 für das Jahr 1994 der Fall.

 

Normenkette

FGO § 74

 

Tatbestand

Für das Streitjahr 1991 setzte der Beklagte für den Kläger die Einkommensteuer auf derGrundlage eines Gesamtbetrags der Einkünfte von …….. DM (darin Einkünfte ausGewerbebetrieb von …….. DM) und eines zu versteuernden Einkommens von …….. DM auf…….. DM, den Solidaritätszuschlag auf …….. DM und die Kirchensteuer auf …….. DM fest.Vermögensteuer wurde für das Streitjahr nicht festgesetzt. Zusätzlich erhob die GemeindeGewerbesteuer. Die Belastung mit Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer undGewerbesteuer betrug bezogen auf den Gesamtbetrag der Einkünfte nach Berechnung desKlägers deutlich über 50 %. Bezogen auf das zu versteuernde Einkommen sei dasMissverhältnis – so trug der Kläger vor – noch größer.

Der Kläger machte mit dem Einspruch geltend, diese Besteuerung verstoße gegen das vomBundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluß vom 22.6.1995 (II BvL 37/91, BStBl II 1995,655 ff.) ausgesprochene Übermaßverbot, soweit die Gesamtbelastung mit direkten Steuern 50% des Gesamtbetrags die Einkünfte übersteige. Das BVerfG habe allgemein festgestellt, daßeine Steuerlast von mehr als 50 % des Sollertrags verfassungswidrig sei (sog.Halbteilungsgrundsatz). Das Überschreiten der Belastungsgrenze werde durch das Hinzutretender indirekten Steuern noch einmal deutlich verschärft. Das Finanzamt wies den Einspruch alsunbegründet zurück.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger, die Einkommensteuer auf dasverfassungsmäßige Maß herabzusetzen. Entgegen der Ansicht des Finanzamts sei der Beschlußdes BVerfG vom 22.6.1995 (a.a.O.) einschlägig. Das Gericht habe ausgeführt, daß dieGesamtbelastung des Vermögenserwerbs, des Vermögensbestands und derVermögensverwendung so aufeinander abzustimmen sei, daß ein Belastungsgleichmaß erreichtwerde. Damit werde zum Ausdruck gebracht, daß alle steuerrelevanten Komponenten,Einkommen, Vermögen und Vermögensverwendung Berücksichtigung finden müßten. DieseAusführungen stellten nicht lediglich ein obiter dictum, also einen für den Fall nichtentscheidungserheblichen Rechtssatz, dar, sondern seien auch für die übrigen Steuern zwingend.Die Ausführungen entfalteten somit Bindungswirkung für die Verwaltung und Fachgerichtegemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG. Daher sei die Obergrenze der Tarif Vorschriften nunmehr obsoletund durch ein Prinzip der Kappung zu ersetzen; der Halbteilungsgrundsatz sei mit der Folgeanzuwenden, daß eine 50 % übersteigende Belastung zumindest mit Ertragssteuern unzulässigsei. Dabei sei fraglich, ob auf den Gesamtbetrag der Einkünfte abzustellen sei oder ob nichtvielmehr auf das zu versteuernde Einkommen als Ausdruck der individuellen Leistungsfähigkeitabzuheben sei. Zuzugeben sei lediglich, daß dabei die Kirchensteuer außer Betracht zu bleibenhabe, da sie individuell vermeidbar sei. Zumindest die die Hälfte des Gesamtbetrags derEinkünfte übersteigende Steuerlast sei verfassungswidrig. Welche Steuern zu kürzen seien, seiim Einzelfall zu entscheiden. Im Streitfall werde die Herabsetzung der Einkommensteuerbeantragt.

Zuvor müsse das Verfahren allerdings gem. § 74 FGO ausgesetzt werden, da gegen dasRevisionsurteil des BFH vom 11.08.1999 (XI R 77/97) eine Verfassungsbeschwerde eingelegtworden sei, die unter dem Geschäftszeichen 2 BvR 2194/99 beim Bundesverfassungsgerichtanhängig sei. Entscheide das Finanzgericht vorher, maße es sich eine ihm nicht zustehendeKompetenz an. Die Aussetzung des Verfahrens könne im übrigen nicht mit der Begründungabgelehnt werden, das anhängige Verfassungsbeschwerdeverfahren sei offensichtlichaussichtslos. Wenn der BFH in seinem Beschluß vom 9.10.1991 (II B 56/91, BStBl. II 1991,930) dieses Merkmal benutze, so nur deshalb, um mißbräuchlich eingelegteVerfassungsbeschwerden aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift auszusondern. Daß dieVerfassungsbeschwerde 2 BvR 2194/99 mißbräuchlich sei, könne aber wohl kaum behauptetwerden. Weiterhin werde bezweifelt, daß es im Falle einer stattgebenden Entscheidung desBVerfG nicht zu einer rückwirkenden Änderung von Besteuerungsgrundlagen kommen könne.Dies ergebe sich daraus, daß in diesem Verfahren nicht die Verletzung von Gleichheits-,sondern von Freiheitsgrundrechten gerügt werde. Da bei der Verletzung vonFreiheitsgrundrechten kein gesetzgeberisches Ermessen bestehe, wie der Verstoß zu heilen sei,sei auch – im Unterschied zu Fällen der Verletzung von Gleichheitsrechten – keine Unsicherheitüber den Inhalt einer notwendig werdenden Neuregelung zu erwarten.

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