Entscheidungsstichwort (Thema)

Besteuerungsrecht für Einkünfte aus einer US-Gesellschaft, Zufluss bei Schneeballsystemen

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Beteiligt sich ein Steuerpflichtiger an einer US-Gesellschaft als "stiller Gesellschafter" mit einer "Beteiligungssumme", können Einkünfte gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG auch dann angenommen werden, wenn keine ausdrücklichen Vereinbarungen zur Höhe des Gewinn- und Verlustanteils getroffen werden und keine weiteren Dokumente vorgelegt werden. Anderenfalls ist von Einkünften aus sonstigem Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG auszugehen.

2) Bei Gutschriften aus einem Schneeballsystem ist auch ohne Auszahlung von einem Zufluss der Einnahmen auszugehen, wenn diese wieder angelegt werden und der Schuldner zur Auszahlung bereit und fähig gewesen wäre.

3) Das Besteuerungsrecht für Gewinnanteile aus einer stillen Gesellschaft steht der Bundesrepublik Deutschland zu, wenn die US-Gesellschaft in den USA lediglich eine Postadresse, aber keine geschäftliche Niederlassung unterhalten hat und damit die abkommensrechtliche Ansässigkeit der US-Gesellschaft in den USA nicht festgestellt werden kann. Für Einkünfte aus sonstigem Kapitalvermögen steht der Bundesrepublik Deutschland das Besteuerungsrecht gemäß Art. 11 Abs. 1 DBA USA 1989 zu.

4) Die Sachverhaltsbeurteilung nach ausländischem Recht gehört zum Sachverhalt i.S.v. § 90 Abs. 2 AO bzw. § 76 Abs. 1 FGO und ist damit vom Steuerpflichtigen aufzuklären.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1 Nrn. 4, 7; HGB §§ 230 ff; DBA USA 1998 Art. 1 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1; AO § 90 Abs. 2; FGO § 76 Abs. 1; EStG § 11 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.03.2019; Aktenzeichen I R 33/16)

BFH (Urteil vom 27.03.2019; Aktenzeichen I R 33/16)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin in den Streitjahren (2006 bis 2010) aufgrund ihrer Beteiligung an der unter der Bezeichnung A (A) unter einer Anschrift in P, Vereinigte Staaten von Amerika (USA), firmierenden Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen zuzurechnen sind.

Die 1926 geborene Klägerin erzielte in den Streitjahren als Pensionärin im öffentlichen Dienst Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Versorgungsbezüge) sowie als Rentnerin sonstige Einkünfte, weiterhin Einkünfte aus Kapitalvermögen und zeitweise geringe Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Die A wurde im Jahre 2002 nach dem Recht des US-Bundesstaates F als Aktiengesellschaft gegründet. Das Stammkapital betrug 2004 laut Handelsregister 10.000.200 US-$, aufgeteilt in 100.000 Aktien zu 100 US-$ und 200.000 Aktien zu 0,001 US-$. Das in F vorgeschriebene Aktienregister (stock-ledger) wurde nicht geführt, Aktien wurden tatsächlich nicht an Anleger ausgegeben, vielmehr war der „Director” bzw. „President” nach eigenen Angaben einziger Aktionär. Auch erfolgten nach 2004 keine Kapitalerhöhungen, obgleich einem Stammkapital von 10 Mio. US $ eine weitaus höhere Vermögensbeteiligung der Anleger gegenüberstand, welche nach den Ermittlungen der Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung R (StaFA) über 100 Mio. EUR betrug (s. a. Senatsurteil vom 19. März 2014 – 14 K 2824, EFG 2014, 1096, Rz. 44). Die A ist im Handelsregister des US-Staates F registriert, wobei seit dem 01.10.2012 der Vermerk „Default” eingetragen ist, was nach Vortrag des Beklagten „in Verzug” bedeutet und beinhaltet, dass geschäftliche Unterlagen nicht eingereicht wurden und die Erlaubnis, geschäftlich tätig zu sein, entzogen wurde. Im Handelsregister des US-Staates P ist für die A seit dem 27.10.2010 der Status „inactive” eingetragen, was nach Vortrag des Beklagten bedeutet, dass die A im Handelsregister gelöscht ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf das Schreiben des Finanzamts G und des Finanzamts für Steuerstrafsachen R vom 01.02.2013 Bezug genommen.

Die A erstellte keine Bilanzen und gab in den USA keine Steuererklärungen ab. Es ist nicht bekannt, dass die A in einem anderen Staat Steuererklärungen eingereicht hätte.

Im Geschäftsverkehr mit der Klägerin bzw. ihren sie vertretenden Sohn K (einschließlich der Formulare der Beitrittserklärungen) trat die A unter der Anschrift …, P, P …, unter Angabe einer Telefon- und Telefaxnummer auf. Unter dieser Postadresse und auch unter einer weiteren – allerdings nicht ersichtlich gegenüber der Klägerin verwendeten –Postadresse in Q, USA, gab es keine Betriebsstätte. Der Zahlungsverkehr mit deutschen Anlegern erfolgte über Schweizer Konten, ab Ende 2008 auch über verschiedene von der A gegründete Limiteds über Konten in China.

Die Beteiligungen an A wurden unter Inaussichtstellung hoher Renditen (15,5%) in der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz vertrieben. In den Prospekten und den von den Anlegern unterschriebenen Beitrittserklärungen wurden die Anleger als „Gesellschafter” bzw. „stille Gesellschafter” bezeichnet. In neueren Prospekten seit 2009 wurden hingegen die Anlagen als Aktienbeteiligungen beworben. Der für die ...

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