Entscheidungsstichwort (Thema)

Ergänzungsbescheid gemäß § 278 Abs. 2 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Der Begriff der "Steuerrückstände" i.S. des § 278 Abs. 2 Satz 1 AO setzt nicht ihre Vollstreckbarkeit i.S. des § 251 Abs. 1 AO voraus. Auch ausgesetzte Steuerforderungen sind "Steuerrückstände" i.S. des § 278 Abs. 2 AO.

2) Ein Vermögensgegenstand wird i.S. des § 278 Abs. 2 AO auch dann "unentgeltlich" zugewendet, wenn die Zuwendung ohne marktübliche Gegenleistung erfolgt. Gemischte Schenkungen fallen mit ihrem Schenkungsanteil unter § 278 Abs. 2 AO.

3) Der Zuwendungsempfänger soll insoweit der erweiterten Vollstreckungsmöglichkeit unterliegen, als er tatsächlich einen Vermögensvorteil erhalten hat. Wertminderungen zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Zuwendungsempfängers sind zu berücksichtigen, nach dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme eintretende nicht mehr.

4) Unentgeltliche Zuwendungen scheiden bei Notverkäufen nicht aus. Andersartige Regelungen der InsO können nicht übertragen werden.

 

Normenkette

AnfG § 3; InsO §§ 133-134; AO § 278 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines sog. Ergänzungsbescheides nach § 278 Abs. 2 der AbgabenordnungAO –.

Der Kläger und seine Ehefrau werden seit 1986 beim Beklagten als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Antragsgemäß erließ der Beklagte am 08. Juni 2001 Aufteilungsbescheide nach §§ 268 ff AO betreffend rückständige Einkommensteuer sowie Nebenabgaben für 1993 bis 1995. Auf die Ehefrau des Klägers entfielen dabei 100% der Rückstände (1993), 93,9% (1994) und 98,21% (1995).

Der Kläger und seine Ehefrau hatten durch notariellen Vertrag vom 29. April 1996 zu einem Kaufpreis von 330.000 DM zu je ½ Eigentum an den im Grundbuch von O eingetragenen Grundstücken (insgesamt: Hof- und Gebäudefläche, insgesamt 8 a 7 m² groß; Bl. 23 bis 33 GA) erworben (Grundbuchauszug des Amtsgerichts X vom 2.2.2002, Akte des Beklagten).

Mit notariellem Vertrag vom 19. August 1999 (Bl. 35 bis 39 GA), bezeichnet als „Übertragungsvertrag” veräußerte die Ehefrau des Klägers diesem als Erwerber ihren unabgeteilten ½ Miteigentumsanteil am genannten lastenfreien Grundbesitz.

Zu Ziffer 2 des Vertrages ist unter der Überschrift „Gegenleistungen” vereinbart :

„Zwischen der Veräußerin und dem Finanzamt in H läuft ein Verfahren wegen Einkommensteuer für die Jahre 1993 bis 1996. Der Erwerber verpflichtet sich, zur Freistellung der Veräußerin von aus diesem Verfahren zu zahlenden sämtlichen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, auch Rechtsanwaltskosten und evtl. Steuerberatungskosten, zu zahlen, maximal jedoch bis zu einem Betrag von DM 75.000,–. Die Abwicklung der Zahlung werden die Beteiligten miteinander abstimmen und wird auf Zwangsvollstreckungsunterwerfung des Erwerbers verzichtet.

Weitere Gegenleistungen für diese Übertragung sind nicht zu erbringen.

Es handelt sich insoweit um eine ehebedingte Zuwendung und wollen die Erschienenen über die getroffenen Bestimmungen hinaus keine weiteren Vereinbarungen treffen.

Der Notar hat darüber belehrt, dass dieser Vertrag bereits Vereinbarungen festlegen kann, die für den Fall einer etwaigen Scheidung der Ehe Geltung haben. Die Eheleute verzichten darauf, diesbezügliche Vereinbarungen in dieser Urkunde zu treffen. Der Veräusserer möchte sich auch keine Benutzungs- / Mitbenutzungs- oder Rückforderungsrechte vorbehalten.”

Die Auflassung ist am 20. September 1999 im Grundbuch eingetragen worden.

Der Ehefrau des Klägers ist mit Beschluss des FG Köln vom 27.12.2001 15 V 2121/01 Aussetzung der Vollziehung u. a. der Einkommensteuerbescheide 1993 bis 1996 bis zur Entscheidung über die damals noch anhängigen Einsprüche ausdrücklich ohne Sicherheitsleistung gewährt worden, da es der Steuerpflichtigen nach damaliger Aktenlage weder möglich noch zumutbar gewesen sei, eine solche Sicherheitsleistung zu erbringen.

Der Beklagte erließ am 26. März 2002 zunächst einen Anfechtungsbescheid, den er auf § 278 Abs. 2 AO in Verbindung mit § 3 des Anfechtungsgesetzes stützte. Auf Einspruch des Klägers kündigte der Beklagte im Schreiben vom 18.6.2002 an, er werde den angefochtenen Anfechtungsbescheid zur Beseitigung von Formmängeln aufheben und einen Ergänzungsbescheid erlassen. Dabei werde der Wert des gesamten Grundstücks mit 314.728,55 DM und der des übertragenen hälftigen Anteils bei einem vom Kläger vorgetragenen Renovierungsbedarf von 15.271,45 DM und einem ursprünglich gezahlten Kaufpreis von 330.000 DM mit 157.364,27 DM anzusetzen sein. Da die Gegenleistung des Klägers mit höchstens 75.000 DM anzusetzen sei, entspreche diese maximal 47,66 %.

Mit Verfügung vom 12. Juli 2002 hob der Beklagte den Anfechtungsbescheid auf und erließ mit gleicher Post den hier streitigen Ergänzungsbescheid nach § 278 Abs. 2 AO.

Darin führt er im Verfügungssatz aus: Die Ehefrau des Klägers schulde dem Land NRW Abgaben in Höhe von insgesamt 26.929,34 EUR. Wegen dieser Abgaben werde der Kläger aufgrund der unentgeltlichen Grundstücksübertragung der Ehefrau auf ihn als Empfänger der Zuwendung übe...

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