rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Bescheidänderung; Steuerfestsetzung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bestandskräftige Steuerbescheide können grundsätzlich geändert werden, soweit dem FA Tatsachen nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

2. Eine Änderung ist dann nicht mehr möglich, wenn die Finanzbehörde schon bei der Steuerfestsetzung die ihr nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen bei Erfüllung der ihr obliegenden Ermittlungspflicht hätte feststellen können.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 173, 173 Abs. 1, 1 Nr. 1, § 88

 

Tatbestand

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin ihres im April 2003 verstorbenen Ehemannes. Streitig ist, ob eine dem Ehemann im Jahre 1992 zugeflossene Arbeitgeberabfindung nach §§ 24, 34 EStG ermäßigt zu besteuern ist und ob der Beklagte (FA) den bestandskräftigen ESt-Bescheid 1992, in dem die Steuerermäßigung gewährt worden war, gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) ändern konnte.

Der Ehemann war bis zum 30.06.1992 leitender Angestellter der C AG in L. In seiner ESt-Erklärung 1992 hatte er neben seinem laufenden Bruttoarbeitslohn von 139.116 DM unter Ziffer 14 der Anlage N ermäßigt zu besteuernde „Entschädigungen” von 424.000 DM als zusätzlichen Arbeitslohn erklärt. Die Beträge belegte er mit der Lohnsteuerkarte. Das FA veranlagte erklärungsgemäß ohne Nachprüfungsvorbehalt nach § 164 Abs. 1 AO und setzte mit Bescheid vom 16.02.1994 die Einkommensteuer auf 124.702 DM fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Im Januar 1997 – nach einer staatlichen Innenrevision – beschloss das FA, „den Sachverhalt” um die in 1992 gezahlte Arbeitgeberabfindung von 424.000 DM „nunmehr detailliert zu überprüfen”. Nach dieser Überprüfung teilte es den Eheleuten im April 1997 seine Absicht mit, die gewährte Tarifermäßigung gemäß § 34 EStG zu versagen und den bestandskräftigen ESt-Bescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern. Am 02.06.1997 erließ es den angekündigten Änderungsbescheid und setzte – unter Erhöhung des Bruttoarbeitslohnes um 460.000 DM und abzüglich des Freibetrages von 36.000 DM gemäß § 3 Nr. 9 EStG – die Einkommensteuer 1992 auf nunmehr 244.125 DM fest. Den nachfolgenden Einspruch wies es mit Einspruchsentscheidung vom 01.09.1999 als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Klägerin meint, dass das FA schon aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht berechtigt gewesen sei, den bestandskräftigen ESt-Bescheid 1992 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern: Denn der vorgenommenen Änderung stünden die auch im Steuerrecht geltenden Grundsätze von Treu und Glauben entgegen, weil das FA seine Ermittlungspflicht verletzt habe. Die Eheleute K. hätten in ihrer ESt-Erklärung 1992 die darin enthaltenen Fragen nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet und seien damit ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen. In einem solchen Fall sei es Sache des FA, weitere Angaben über die in der Erklärung hinausgehenden Fragen zu verlangen, falls der Sachverhalt nach Meinung des FA noch weiter aufklärungsbedürftig erscheine.

Dies habe das FA unterlassen, obwohl die entsprechenden Angaben der Eheleute in Zeile 14 der Anlage N geeignet und ausreichend gewesen seien, dem FA die Kenntnis zu vermitteln, dass der Sachverhalt in Bezug auf die Tarifermäßigung nach §§ 24 Nr. 1, 34 Abs. 1 u. 2 EStG steuerrechtlich bedeutsam war. Das FA sei bei der Erstveranlagung in 1994 offensichtlich der Auffassung gewesen, die Steuererklärung sei vollständig und ausreichend gewesen, um die zutreffende Veranlagung durchzuführen. Andernfalls hätte es eine weitere tatsächliche Aufklärung veranlasst oder jedenfalls veranlassen müssen. Diese Aufklärung nach 3 Jahren nachzuholen, verstoße wegen Verletzung der Ermittlungspflicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben und verbiete eine nachträgliche Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO.

Die Klägerin meint überdies, dass ihr unabhängig hiervon die Steuerermäßigung nach §§ 24, 23 EStG materiell-rechtlich zustehe. Im einzelnen wird auf die von ihr hierzu eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

den ESt-Änderungsbescheid 1992 vom 02.06.1997 in Form der Einspruchsentscheidung vom 01.09.1999 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auf die Verletzung der Ermittlungspflicht durch das FA könne sich ein Steuerpflichtiger nur dann berufen, wenn er selbst seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen sei. Dies sei im Streitfall zu verneinen, da die Eheleute K. in der Anlage N lediglich erklärt hätten, steuerbegünstigte Abfindungszahlungen erhalten zu haben, aber nicht gleichzeitig dargelegt hätten, wie diese Abfindung tatsächlich gezahlt worden sei: in einer oder mehreren Raten, über ein oder mehrere Jahre verteilt. Demgegenüber liege ein deutlich überwiegender Pflichtverstoß seitens des FA nicht vor. Anhand der Angaben laut eingereichter – und von einem Steuerberater – erstellten Steuererklärung sei nicht erkennbar gewesen, dass die beantragte Steuerermäßigung offenkundig zweifelhaft und materiell-rechtlich zu versagen sei.

Im einzelnen wird auf die Schriftsätze ...

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