Entscheidungsstichwort (Thema)

Treu und Glauben sperren die Änderung einer zunächst ohne weitere Sachverhaltsermittlung übernommene Angabe einer begünstigten Abfindung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Der Grundsatz von Treu und Glauben verbietet es der Finanzbehörde einenÄnderungsbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu erlassen, wenn er auf Tatsachengründet, die dem Finanzamt infolge Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht trotzordnungsgemäßer Mitwirkung des Steuerpflichtigen -zunächst- unbekannt geblieben sind.

2) Hiervon ist auszugehen, wenn der Steuerpflichtige in der Steuererklärung eineermäßigt zu besteuernde Entschädigung in der hierfür vorgesehenen Zeile desErklärungsvordrucks einträgt, das Finanzamt die Entschädigung im Rahmen derVeranlagung ohne weitere Ermittlung vorbehaltlos ermäßigt besteuert und erst später imRahmen einer Überprüfung die Vertragsunterlagen anfordert, aus denen sich dieVersagensgründe für die Steuerermäßigung ergeben.

 

Normenkette

AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 24 Nr. 1a, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2

 

Tatbestand

I.

Streitig ist im Hauptverfahren 6 K 6547/99, ob eine dem Antragsteller (Ast.) im Jahre 1992zugeflossene Arbeitgeberabfindung nach §§ 24, 34 EStG ermäßigt zu besteuern ist und ob derAntragsgegner (FA) den bestandskräftigen ESt-Bescheid 1992, in dem die Steuerermäßigunggewährt worden war, gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern konnte.

Der Ast. hatte in seiner ESt-Erklärung 1992 neben seinem laufenden Bruttoarbeitslohn von …DM unter Ziffer 14 der Anlage N ermäßigt zu besteuernde „Entschädigungen”von … DM als zusätzlichen Arbeitslohn erklärt. Die Beträge belegte er mit der Lohnsteuerkarte.Das FA veranlagte erklärungsgemäß ohne Nachprüfungsvorbehalt nach § 164 Abs. 1 AO undsetzte mit Bescheid vom 16.02.1994 die Einkommensteuer auf … DM fest. Der Bescheid wurdebestandskräftig.

Im Januar 1997 – nach einer staatlichen Innenrevision – beschloß das FA, „denSachverhalt” um die in 1992 gezahlte Arbeitgeberabfindung von … DM„nunmehr detailliert zu überprüfen”. Nach dieser Überprüfung teilte es demAst. im April 1997 mit, die gewährte Tarifermäßigung gem. § 34 EStG zu versagen und denbestandskräftigen ESt-Bescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern. Am 2.06.1997 erließdas FA den angekündigten Änderungsbescheid und setzte – unter Erhöhung desBruttoarbeitslohnes um … DM und abzüglich des Freibetrages von … DM gem. § 3 Nr. 9 EStG– die Einkommensteuer 1992 auf nunmehr … DM fest. Den nachfolgenden Einspruch wies eszurück. Ebenso den Antrag, die Vollziehung auszusetzen.

Der Ast. beantragt.

unter Aufhebung des die Aussetzung der Vollziehung des ESt-Bescheides 1992 vom 2.06.1997ablehnenden Bescheides des FA vom 13.10.1999 die Vollziehung des vorgenanntenEst-Bescheides gem. § 69 Abs. 3 FGO in voller Höhe ab Fälligkeit auszusetzen.

Das FA beantragt,

den Antrag abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag ist begründet.

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen ESt-Bescheides. Nachsummarischer Überprüfung ist von seiner Rechtswidrigkeit schon deshalb auszugehen, weil ernicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden konnte.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, verbietet der auch im Steuerrechtgeltende Grundsatz von Treu und Glauben der Finanzbehörde einen Änderungsbescheid nach§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu erlassen, wenn er auf Tatsachen gründet, die dem FA infolgeVerletzung der amtlichen Ermittlungspflicht trotz ordnungsgemäßer Mitwirkung desSteuerpflichtigen zunächst – unbekannt geblieben sind (Urteil vom 29. April 1997 VII R 1/97,BStBl II 1997, 627; vom 20. Dez. 1988 VIII R 121/83, BStBl II 1989, 585). Verletzt ist dieErmittlungspflicht (§ 88 AO) dann, wenn die Finanzbehörde Zweifeln, die sich nach Sachlageaufdrängen mußten, nicht nachgeht. Hiervon ist im Streitfall auszugehen.

Der Kläger hat in seiner ESt-Erkläung für das Streitjahr den steuerlich relevanten Sachverhaltdem FA jedenfalls insoweit richtig, vollständig und deutlich zur rechtlichen Prüfung vorgelegt,als er gemäß Abfrage des Erklärungsvordrucks in der hierfür vorgesehenen Zeile erklärt hat, vonseinem Arbeitgeber eine „ermäßigt zu besteuernde Entschädigung” von … DMerhalten zu haben. Damit hat er die ihm nach § 150 AO obliegende Steuererklärungspflicht undseine aus § 90 Abs. 1 AO folgende Mitwirkungspflicht bei der Sachverhaltsfeststellunggrundsätzlich erfüllt (BFH-Urteil vom 13. Nov. 1985 II R 208/82, BStBl II 1986, 241). SeinePflicht beschränkte sich darauf, die Steuererklärung abzugeben (§ 25 Abs. 3 EStG i.V.m. §§ 56EStDV) und die abgefragten Angaben zu machen. Zur Auskunft und Vorlage von Unterlagen (z.B. Vertragsunterlagen) wäre er darüberhinaus nach § 93 und § 97 AO nur verpflichtet gewesen,wenn das FA dies von ihm – in Erfüllung der behördlichen Amtsermittlungspflicht (§ 88 AO)– verlangt hätte oder er im Erklärungsvordruck hierzu ausdrücklich aufgefordert worden wäre.

Das FA durfte sich nicht damit begnügen, dem Antrag des Klägers, eine hoheEntschädigungssumme nach §§ 24, 34 EStG ermäßigt zu besteuern, ...

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