Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine offenbare Unrichtigkeit bei ernsthafter Möglichkeit eines Rechtsfehlers

 

Leitsatz (redaktionell)

1) § 129 AO findet auch Anwendung, wenn die Fehlerhaftigkeit von Angaben des Steuerpflichtigen für das Finanzamt ohne weiteres erkennbar war und das Finanzamt damit eine offenbare Unrichtigkeit des Steuerpflichtigen als eigene übernommen hat.

2) Besteht beim Steuerpflichtigen oder beim Finanzamt die ernsthafte Möglichkeit, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- und Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachaufklärung beruht, scheidet die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit aus.

3) Eine Berichtigung nach § 129 AO scheidet aus, wenn es der Steuerpflichtige in zwei aufeinander folgenden Jahren versäumt hat, in der Einkommensteuererklärung Vorsteuer gemäß § 9b EStG als Werbungskosten geltend zu machen, auch wenn der Steuerpflichtige mit der zeitgleich eingereichten Umsatzsteuererklärung ein Verzeichnis der Herstellungskosten über Bruttobeträge sowie Nettobeträge und Vorsteuern eingereicht hat.

 

Normenkette

AO 1977 § 129

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.06.2007; Aktenzeichen IX R 2/07)

BFH (Urteil vom 14.06.2007; Aktenzeichen IX R 2/07)

 

Tatbestand

Es ist strittig, ob der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 nach § 129 Abgabenordnung (AO) geändert werden kann.

Die Kläger sind Eheleute und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin hatte seit 1994 Herstellungs- und Anschaffungskosten für Grund und Boden und Gebäude eines in der … in … gelegenen Grundstückes.

Die Anschaffungskosten des Jahres 1999 für das Gebäude betrugen brutto 112.770,64 DM (dies entspricht einem Nettobetrag von 97.733,17 DM), im Streitjahr 2000 netto 332.020,70 DM und 52.875,83 DM Vorsteuern.

Im Streitjahr vermietete die Klägerin das Grundstück mit aufstehendem Gebäude umsatzsteuerpflichtig an den von ihrem Ehemann betriebenen Gewerbebetrieb.

Die Eheleute reichten am … 2001 ihre gemeinsame Einkommensteuererklärung mit einer Anlage V für das Objekt … beim Beklagten ein, mit der die Klägerin, bei Einnahmen in Höhe von 54.696,– DM (einschließlich „Erstattung Umsatzsteuer 1999” 15.096,40DM) und Werbungskosten in Höhe von 30.358,– DM, einen Überschuss in Höhe von 24.338,– DM erklärte. Als Anlage war eine Überschussrechnung beigefügt, die als Bemessungsgrundlage der Abschreibungen Herstellungskosten in Höhe von 441.969,63 DM netto auswies. Neben dem Herstellungskostenbetrag ist vermerkt: „siehe Anlage”. Eine Anlage zu Herstellungskosten wurde allerdings ausweislich der Akten nicht zur Einkommensteuererklärung, bei deren Anfertigung die Bevollmächtigten mitgewirkt hatten, sondern mit der ebenfalls von diesen am … 2001 eingereichten Umsatzsteuererklärung 2000 eingereicht (vgl. Kopfzeile der Anlage; „Herstellungskosten – Umsatzsteuererklärung 2000 – …”). In dieser Anlage sind die Herstellungskosten 2000 in folgender Höhe ermittelt: 332.020,70 DM netto, 52.875,83 DM Vorsteuer, 387.415,03 DM brutto.

Der Beklagte erließ am … 2002 einen im Wesentlichen antragsgemäßen, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid. Am … 2003 wurde im Anschluss an eine Betriebsprüfung, welche die Einkommensteuer 1998 bis 2000 umfasste, ein Änderungsbescheid erlassen und der Vorbehalt der Nachprüfung ohne Änderungen bei den Vermietungseinkünften der Klägerin, die auch nicht der Prüfung unterlegen hatten, aufgehoben.

Am … 2004 beantragten die Kläger die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2000 vom … 2003 nach § 129 AO. Sie begehrten, die im Jahr 2000 gezahlte Umsatzsteuer aus den Herstellungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen. In der Nichtberücksichtigung der Vorsteuerbeträge als Ausgabe läge eine offenbare Unrichtigkeit. Die Vorsteuerbeträge seien versehentlich nicht in die Anlage V übertragen worden. Eine Abstimmung der Anlage V mit den dazugehörigen Anlagen hätte diesen Fehler sofort aufgedeckt. Die Gesamtsumme der als Werbungskosten abzugsfähigen Vorsteuerbeträge hätte sich außerdem aus der zeitgleich mit der Einkommensteuererklärung eingereichten Umsatzsteuererklärung der Klägerin ergeben.

Das Fehlen der abzugsfähigen Vorsteuern bei den in der Anlage V aufgeführten Werbungskosten hätte dem Finanzamt bei der Veranlagung auffallen müssen. Da das Finanzamt den Fehler übernommen habe, müsse dieser nun nach § 129 AO korrigiert werden.

Am … 2004 lehnte der Beklagte die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2000 nach § 129 AO ab, da falsche Schlussfolgerungen oder eine unrichtige Rechtsanwendung nicht ausgeschlossen werden könnten. Den deshalb erhobenen Einspruch der Kläger vom … 2004 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom … 2004 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, bereits in der Einkommensteuererklärung für das Vorjahr seien gezahlte Vorsteuerbeträge nicht als (vorweggenommene) Werbungskosten geltend ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge