Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.01.2004; Aktenzeichen VII R 54/02)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte dem Kläger zu. Recht die Hilfeleistung in Steuersachen untersagt hat.

Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger, wohnt seit 1975 in den Niederlanden und betreibt dort seit 1980 ein nach niederländischem Recht zugelassenes Steuerberatungsbüro. Er berät u. a. niederländische Staatsangehörige, die in den Niederlanden wohnen, aber (auch) in Deutschland tätig sind und deshalb gegenüber den deutschen Finanzbehörden Steuererklärungen abzugeben haben. Seine ausschließlich in den Niederlanden geleistete Hilfe beschränkt sich bei diesen Personen auf die Aufstellung von Überschußrechnungen und sonstigen Jahresabschlüssen sowie die Mitwirkung bei der Anfertigung der Steuererklärungen, die von den Erklärungspflichtigen eigenhändig unterschrieben und von ihnen selbst zunächst bei den niederländischen und dann bei den deutschen Steuerbehörden eingereicht werden. Die Mitwirkung bei der Anfertigung der Steuererklärung ist an der dafür formularmäßig vorgesehenen Stelle angegeben.

Durch Bescheid vom …1991 untersagte der Beklagte dem Kläger gemäß § 7 StBerG unter Androhung von Zwangsgeld die Hilfe in Steuersachen, weil er in der beschriebenen Form der niederländischen Krankengymnastin Patricia … geholfen habe, er aber nicht nach den §§ 3 und 4 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt sei. Gleichzeitig wurde Frau … mitgeteilt, daß wegen der unbefugten Hilfeleistung durch den Kläger Steuererklärungen, an denen dieser mitgewirkt habe, unwirksam seien und nicht mehr entgegengenommen würden. Für den Fall, daß sie sich von dem Kläger weiter helfen lasse, drohte der Beklagte Frau … ein Bußgeld an. Die gegen den Bescheid vom … 1991 wegen Untersagung der Hilfeleistung in Steuersachen vom Kläger eingelegte Beschwerde wurde am … 1992, als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der daraufhin erhobenen Klage macht der Kläger geltend, daß deutsche Gesetze nur im deutschen Staatsgebiet gelten und, wenn nach § 12 a StBerG deutsche Steuerberater im Abgabenrecht fremder Staaten beraten dürften, dies auch umgekehrt für im Ausland tätige und dort zugelassene Berater hinsichtlich des deutschen Steuerrechts gelten müsse. Zudem habe der Beklagte gegen Art. 59 EWG-Vertrag verstoßen.

Der Kläger beantragt,

  1. den gegen ihn ergangenen Bescheid des Beklagten vom … 1991 und die dazu ergangene Beschwerdeentscheidung aufzuheben.
  2. hilfsweise, die Sache dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, in deutschen Besteuerungsverfahren dürfe geschäftsmäßige Hilfe nur von den nach den §§ 3 und 4 StBerG befugten Personen geleistet werden. Staatsangehörige aus EG-Staaten hätten die besondere Eignungsprüfung gemäß § 36 Abs. 4 StBerG zu bestehen. Einen Verstoß gegen Art. 59 EWG-Vertrag verneint der Beklagte, weil durch diesen die im Allgemeininteresse gebotenen nationalen Voraussetzungen für bestimmte Berufsgruppen nicht außer Kraft gesetzt werden könnten.

Die Europäische Kommission ist nach ihrem Schreiben an den Kläger vom … 1996 der Auffassung, daß die Maßnahmen des Beklagten gegen den Kläger gegen Art. 59 EWG-Vertrag verstoßen und betreibt deshalb das Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Bescheid vom … 1991 und die dazu ergangene Beschwerdeentscheidung sind rechtswidrig, weil sie unzulässige Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet darstellen. Sie verletzen die Gebietshoheit (territoriale Souveränität) der Niederlande. Diese schließt in ihrer negativen Funktion jede hoheitliche Handlung deutscher Behörden auf niederländischem Staatsgebiet aus (vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 1, Seite 193; Aschl, Staats- und verfassungsrechtliches Lexikon, 5. Aufl., unter dem Stichwort „Gebietshoheit”).

Deutsche Finanzbehörden dürfen im Ausland weder fremden noch deutschen Staatsangehörigen etwas verbieten. Auf fremdem Hoheitsgebiet sind alle Maßnahmen deutscher Behörden unzulässig. Statthaft ist nur das Versenden von Formularen, Auskunftsersuchen und Steuerbescheiden vom Inland aus. Schon die (förmliche) Zustellung von Bescheiden ist verboten (vgl. Tipke/Kruse, § 93 AO Tz. 3 a.E., und § 117 AO Rz. 1 a m.w.H.).

Demgemäß darf der Beklagte die steuerliche Beratung eines niederländischen Staatbürgers in den Niederlanden durch einen dort zugelassenen Berater, anders als ein Auftreten des Beraters in Deutschland, nicht untersagen. Daß sich die Beratung in Form der dann von dem niederländischen Staatsbürger eingereichten Steuererklärung in Deutschland auswirkt, ist unerheblich. Zulässig wäre nach dem Prinzip der territorialen Souveränität nur, diese Auswirkung zu verhindern, indem die Einreichung solcher Steuererklärungen in Deutschland verboten oder für unwirksam erklärt würde. Eine entsprechende gesetzliche Grundlage fehlt jedoch bisher.

Gegen ein solches Gesetz beständen au...

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