Entscheidungsstichwort (Thema)

Anlaufhemmung bei Antragsveranlagung

 

Leitsatz (redaktionell)

Im Falle der Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ist die Ablaufhemmung gem. § 170 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AO zu berücksichtigen.

 

Normenkette

AO § 170 Abs. 2 S. 2 Nr. 1; EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Durchführung der Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre (1999 – 2001).

Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Mit Schreiben vom … 2006 reichten sie die Einkommensteuererklärungen der Jahre 1999 bis 2003 beim Beklagten ein. Sie erklärten ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers.

Der Beklagte lehnte zunächst die Durchführung der Einkommensteuerveranlagungen unter Hinweis auf den Ablauf der Antragsfrist nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Einkommensteuergesetz a.F. (EStG) ab.

Den hiergegen gerichteten Einspruch sowie einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lehnte der Beklagte ab.

Gegen die Einspruchsentscheidung vom … 2007 haben die Kläger am … 2007 Klage erhoben.

Die Kläger begehren mit ihrer Klage die Durchführung der Einkommensteuerveranlagung. Einer Veranlagung stehe keine Festsetzungsverjährung entgegen.

Durch das Jahressteuergesetz 2008 sei aus Gründen des Bürokratieabbaus und als Beitrag zu mehr Bürgerfreundlichkeit die Antragsfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ersatzlos weggefallen. Dazu beigetragen habe auch, dass sich auf Grund einer Verfassungsbeschwerde herauskristallisiert habe, dass die Gruppe von Arbeitnehmern, die eine Einkommensteuererklärung nicht abgeben müssten, sondern sie nur freiwillig abgeben könnten, durch die Antragsfrist im Gegensatz zu anderen Steuerpflichtigen benachteiligt würden.

Gemäß einer Pressemitteilung des Bundesfinanzministeriums und anderer Mitteilungen im Internet habe nun jeder, der nicht zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet sei, bis zu 7 Jahre Zeit für die Steuererklärung. Dies sei ein Beweis dafür, dass zur Beseitigung der Ungleichheit für alle Steuerpflichtigen § 169 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO für die Berechnung der Festsetzungsfrist anwendbar sei. Demzufolge sei neben § 169 AO auch die Vorschrift des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zu beachten, wonach die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht werde, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folge, in dem die Steuer entstanden sei, beginne. Werde also eine Steuererklärung nicht eingereicht, beginne die Festsetzungsfrist nach Ablauf des dritten Jahres, das auf das Kalenderjahr folge, in dem die Steuer entstanden sei.

Entgegen der Auffassung des Beklagten stehe dem auch nicht der Wortlaut des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO entgegen, denn von dem Arbeitnehmer sei verpflichtend eine Steuererklärung einzureichen, um eine Veranlagung zu erreichen. Die vom Beklagten vorgenommene Beschränkung der Anwendung dieser Vorschrift nur auf z.B. Einzelunternehmer und Freiberufler etc. sei nach der neuen Gesetzeslage nicht mehr zutreffend. Folglich liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor, wenn bei der Veranlagung eines Arbeitnehmers § 169 AO nicht i.V.m. § 170 Abs. 2 AO angewandt werde.

Das vom Beklagten zitierte nicht veröffentlichte BFH-Urteil vom 08.10.1991 sowie das Urteil des FG Hamburg vom 14.10.2006 seien nach der heutigen geänderten Rechtslage überholt. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG sei durch das Jahressteuergesetz beseitigt worden, weil diese Vorschrift gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 GG verstieße. Um den Gleichheitsgrundsatz in diesem Punkte in vollem Umfang gerecht zu werden, sei in der Folge auch die Vorschrift des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO bei einer Arbeitnehmerveranlagung anzuwenden. In § 25 Abs. 3 EStG sei auch der Grundsatz klar festgelegt, dass der Steuerpflichtige für den abgelaufenen Veranlagungszeitraum eine Einkommensteuererklärung abzugeben habe. In der vorzitierten Vorschrift komme nicht zum Ausdruck, aus welchen Gründen eine Erklärung einzureichen sei, ob freiwillig oder auf Anforderung.

Zudem seien die Veranlagungen 1999 bis 2001 auch nach den Grundsätzen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durchzuführen. Sie, die Kläger, hätten keinerlei Kenntnis von der möglichen Festsetzungsverjährung gehabt. Sie hätten schuldlos die Steuererklärung zu spät eingereicht. Die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand sei denjenigen zu gewähren, die ohne Verschulden verhindert gewesen seien, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Schuldlos handele nach ständiger Rechtsprechung, wer diejenige Sorgfalt anwende, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Bürger geboten und ihm nach den Gesamtumständen des konkreten Einzelfalles zumutbar sei. Dabei seien die Kenntnisse, Möglichkeiten und Fähigkeiten der Betroffenen zu berücksichtigen. Ausgehend von diesem Verschuldungsbegriffs sei nach ständiger Rechtsprechung anerkannt, da...

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