Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der Fahrtkosten bei Behinderten

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eines Behinderten mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 können nach den tatsächlichen Aufwendungen abgesetzt werden. Dies setzt aber voraus, dass es sich nicht um Fahrten handelt, bei denen zeitlich eine längere private Unterbrechung vorliegt oder ein großer Umweg gefahren wird.

2) Fahrten eines geh- und stehbehinderten Steuerpflichtigen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 (oder von mindestens 70 und Merkzeichen G) können neben den Pauschbeträgen dann als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden, wenn sie nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden und angemessen sind. Im Allgemeinen kann ein Aufwand für Fahrten bis zu 3.000 km im Jahr als angemessen angesehen werden. Ein Aufwand für Fahrten von mehr als 15.000 km im Jahr liegt jedoch in aller Regel nicht mehr im Rahmen des Angemessenen.

 

Normenkette

LStR 2001 § 42 Abs. 7 S. 1; EStG 2001 § 33 Abs. 1, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 21.05.2004; Aktenzeichen III B 172/03)

 

Tatbestand

Der Kläger ist nichtselbständig als Bürokaufmann tätig. Er ist geh- und stehbehindert. In seinem Schwerbehindertenausweis sind der Grad der Behinderung mit 90 und die Merkmale „G” sowie „RF” eingetragen. Ein im Jahre 2000 gestellter Antrag, einen Behinderungsgrad von 100 anzuerkennen und das Merkmal „aG” zu erteilen, wurde vom Versorgungsamt bestandskräftig abgelehnt. Für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (einschließlich behinderungsbedingter „Leerfahrten”) und für seine anderen Fahrten benutzte der Kläger ein ihm gehörendes Kraftfahrzeug. Zwischen den Beteiligten ist für das Streitjahr 2001 streitig, inwieweit die Fahrtaufwendungen des Klägers als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG anzuerkennen sind. Streitig ist dabei sowohl die zu berücksichtigende Kilometerzahl als auch die Höhe des zu berücksichtigenden Aufwands pro Kilometer.

Nach den Angaben in der Einkommensteuererklärung setzte sich (bei Verdoppelung der Entfernungsangabe für die „einfache Entfernung”) die Gesamtfahrleistung im Jahre 2001 wie folgt zusammen:

1.

Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte

a)

„Normalfahrten” lt. Steuererklärung:

185 (Tage) × 15 km × 2 = 5.550,0 km

b)

„Leerfahrten” laut Steuererklärung

30 (Tage) × 15 km × 2 = 900,0 km

(lt. „Jahresübersicht 2001” 691,3 km)

Summe a) und b)

6.450,0 km

2.

„Fahrten wegen Behinderung”

10.833,2 km

davon

a)

Fußreflexzonenbehandlung

906,8 km

b)

Physikalische Behandlung

290,1 km

c)

Dr. Egenolf

340,3 km

d)

Einkaufsfahrten

9.296,0 km

3.

Reha-Maßnahme/Bäder (Bad …)

4.193,6 km

davon

a)

Hin- und Rückfahrt

1.172,9 km

b)

Fahrten am Ort

3.020,7 km

4.

„Privatfahrten”

2.577,7 km

Summe 2) bis 4)

17.604,5 km

Demnach gesamte Fahrleistung

24.054,5 km

Nach dem vom Kläger vorgelegten Einzelnachweis der tatsächlichen Autokosten für das Jahr 2001 betrug die Gesamtfahrleistung 20.922,8 km, davon 3.318,3 km für Fahrten und Leerfahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Die Berechnung des Beklagten unter Berücksichtigung der Kilometerstände laut Fahrtenbüchern Ende 2000 (44.889,7 km) und Ende 2001 (65.657,6 km) ergab eine Gesamtfahrleistung von 20.757,9 km.

In seiner Einkommensteuererklärung 2001 machte der Kläger die oben zu 1.) genannten Fahrten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend, und zwar mit einem Kilometersatz laut „Einzelnachweis” von 1,352 DM.

Für die zu 2.) und 3.) genannten Fahrten sowie für 50 v.H. der zu 4.) genannten Fahrten, insgesamt danach für eine Fahrleistung von 16.315,65 km, beantragte der Kläger die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung mit einem Aufwandssatz von 1,23 DM/km.

Mit Einkommensteueränderungsbescheid vom 2.08.2002 berücksichtigte der Beklagte die zu 1.) genannten Fahrten mit der Abweichung als Werbungskosten, daß er die Leerfahrten entsprechend der „Jahresübersicht” mit nur 691,3 km berücksichtigte und pro gefahrenen Km einen Betrag von 1,214 DM ansetzte. Der Kläger selbst kam aufgrund neuer Berechnung auf einen um 0,014 DM/km höheren Satz von 1,228. Fahrtaufwendungen für 70 km rechnete der Beklagte den Sonderausgaben zu.

Als außergewöhnliche Belastung erkannte der Beklagte im o.a. Einkommensteuerbescheid folgende Kilometerleistungen an:

  • von den „Fahrten wegen Behinderung” (oben zu 2.) die zu a), b) und c) angegebenen Fahrten von insgesamt 1.537,2 km; (nicht anerkannt danach die „Einkaufsfahrten” von 9.296,0 km)
  • von den „Reha/Bäder”-Fahrten (oben zu 3.) die Fahrten für An- und Abreise (1.172,9 km) und Fahrten am Ort von 1.764 km, insgesamt danach 2.936,9 km; (nicht anerkannt danach 1.256,9 km)
  • als „Privatfahrten” (vom Kläger mit 1.288,85 km als außergewöhnliche Belastung erklärt) pauschal eine Fahrleistung von 3.000 km.

Für die danach als außergewöhnliche Belastung anerkannte Fahrleistung von insgesamt 7.474,1 km berücksichtigte der Beklagte den angemessenen Aufwand nicht mit dem tatsächlichen Aufwand laut „Einzelnach...

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