Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss des Steuerklassenprivilegs bei der Schenkungsteuer für die Errichtung einer ausländischen Familienstiftung europarechtswidrig?

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Zuwendung an eine Stiftung mit Sitz und Geschäftsleitung in Liechtenstein, deren Begünstigte ausschließlich aus Abkömmlingen gerader Linie bestehen, unterliegt in Deutschland einer höheren Schenkungsteuer als dies gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG der Fall wäre, wenn die nämliche Zuwendung an eine Stiftung mit Sitz in Deutschland erfolgt wäre. Der damit verbundene Liquiditätsnachteil, der bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt auftritt, stellt eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit dar.

2. Es ist europarechtlich zweifelhaft, ob die nach dem Steuerklassenprivileg des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG erfolgende unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung des Übergangs von Vermögen aufgrund eines Stiftungsgeschäfts gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG bei einer inländischen Stiftung einerseits und einer liechtensteinischen Stiftung andererseits durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 40 i.V.m. Anhang XII des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) vom 2. Mai 1992 rechtfertigt.

3. Aufgrund der Ungewissheiten einer späteren Besteuerung der Familienstiftung dem Grunde sowie der Höhe nach erscheint insbesondere zweifelhaft, ob die gesetzgeberische Intention, die mit dem Steuerklassenprivileg gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG verbundenen Vorteile durch die Ersatzerbschaftsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, mit der Stiftungskonstruktionen in Bezug auf die Erbschaftsbesteuerung typisiert dem natürlichen Erbgang durch eine turnusmäßige Besteuerung gleichgestellt werden sollen, zu kompensieren, ausreicht, um einen direkten, persönlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen dem steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung und damit eine Gewährleistung der Kohärenz des Steuersystems bejahen zu können.

 

Normenkette

ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 7 Abs. 1 Nr. 8, § 15 Abs. 1, 2 S. 1; AEUV Art. 63, 65, 267 Abs. 2; EWR-Abkommen Art. 40; DBA-Liechtenstein Art. 24 Abs. 1; ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

I. Sachverhalt und Streitstand

Die Klägerin ist eine rechtsfähige Familienstiftung mit Sitz und Geschäftsleitung in Z, Fürstentum Liechtenstein. Sie wurde am ….2014 nach liechtensteinischem Recht durch die Stifterin, Frau Y, in Liechtenstein errichtet. Die Stifterin wohnt in Deutschland und hatte auch zum Zeitpunkt der Errichtung der Stiftung ihren Wohnsitz in Deutschland. Zweck der Stiftung ist laut der Stiftungssatzung die Förderung und Unterstützung der gemeinsamen Abkömmlinge der Stifterin und ihres verstorbenen Ehegatten Herrn Y1. Ermessensbegünstigte der Stiftung (Destinatäre) sind die Stifterin sowie die mit der Stifterin in gerader absteigender Linie verwandten Abkömmlinge im Rahmen der Generationennachfolge. Dabei handelte es sich um die … Kinder der Stifterin sowie deren Kinder. Die Stifterin stattete die Klägerin im Zuge der Errichtung am ….2014 mit einem Stiftungsvermögen in Höhe von … EUR aus. Nach den einschlägigen Regelungen in § 5 Abs. 1 der Stiftungssatzung vom ….2014 (siehe Steuerakten des beklagten Finanzamtes) konnte die Klägerin über das ihr übertragene Vermögen der Stifterin gegenüber frei verfügen. Der Stifterin waren nach den getroffenen Vereinbarungen und Regelungen keine Herrschaftsbefugnisse über das Vermögen der Klägerin vorbehalten. Der Stifterin wurden in der Stiftungssatzung und den ergänzenden Regelungen insbesondere keine Entscheidungsbefugnisse in Bezug auf die Anlage und Verwendung des Vermögens eingeräumt. Sie hatte auch keine Möglichkeit, ganz oder teilweise die Rückübertragung des Vermögens zu verlangen. Die Klägerin war der Stifterin gegenüber insoweit keinerlei Weisungen unterworfen (vgl. § 5 Abs. 1 der Stiftungssatzung). Zudem regelte die Stiftungssatzung in § 13 Abs. 7 ausdrücklich, dass auch Satzungsänderungen in keinem Fall dazu führen dürfen, dass das Stiftungsvermögen der Verfügungsmacht der Stifterin rechtlich oder tatsächlich nicht mehr entzogen ist.

Mit Schreiben vom 16.04.2015 zeigte die Klägerin den Vorgang gegenüber dem beklagten Finanzamt an und reichte eine Schenkungsteuererklärung ein. Erläuternd führte sie aus, dass die Stiftung vorliegend wesentlich im Interesse der Familie der Stifterin errichtet worden sei, so dass gemäß § 15 Abs. 2 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – BeitrRLUmsG) vom 07.12.2011 (BGBl I 2011, 2592 – kurz: ErbStG) bei der Besteuerung das Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zur Stifterin zugrunde zu legen sei (so genanntes „Steuerklassenprivileg”). Die Abkömmlinge der Stifterin fielen gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 ErbStG unter die Steuerklasse ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge