Entscheidungsstichwort (Thema)

Erledigungsgebühr bei Zustimmung zu einer gerichtlichen Verständigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die Erledigungsgebühr ist keine reine Erfolgsgebühr für eine allgemein auf Verfahrensförderung gerichtete Tätigkeit, sondern eine besondere Tätigkeitsgebühr, die anlässlich einer nichtstreitigen Erledigung im Rahmen des Klageverfahrens verdient werden kann.

2) Das erforderliche Mitwirken kann darin bestehen, dass der Bevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Klägers einem Einigungsvorschlag des Gerichts zustimmt.

 

Normenkette

VV RVG Nr. 1003

 

Gründe

Die Erinnerungsführerin hatte im Verfahren 2 K 1406/10 wegen Vorsteuer-Vergütung für das Jahr 2006 geklagt. Der Erinnerungsgegner hatte die für das Jahr 2006 zu vergütende Vorsteuer auf 128.414,11 EUR festgesetzt. Die Erinnerungsführerin begehrte, die zu vergütende Vorsteuer um weitere 20.064 EUR zu erhöhen. Dabei ging es bezüglich des Produkts „A” um ein Vorsteuervolumen von 864 EUR und um zwei Rechnungen der Fa. B Deutschland GmbH mit einem Vorsteuervolumen von insgesamt 19.200 EUR, die nach Auffassung des Erinnerungsgegners nicht im Original vorgelegt worden waren.

In der mündlichen Verhandlung vom 06.05.2014 verständigten sich die Beteiligten auf Vorschlag des Vorsitzenden dahin, dass hinsichtlich einer der streitigen Rechnungen der Fa. B Deutschland GmbH von einem vergütungsfähigen Original auszugehen sei. Vor diesem Hintergrund verpflichtete sich der Beklagte zur Berücksichtigung eines weiteren Vergütungsbetrags von 9.600 EUR. Anschließend erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Mit Beschluss vom gleichen Tage wurden die Kosten des Verfahrens den Beteiligten jeweils zur Hälfte auferlegt.

Mit seinem Antrag vom 17.06.2014 beantragte der Bevollmächtigte, die insgesamt zu erstattenden Kosten ausgehend von einem – unstreitigen – Streitwert i.H.v. 20.064 EUR auf 1.237,40 EUR festzusetzen. Dabei beantragte der Bevollmächtigte u.a. den Ansatz einer 1,0-Erledigungsgebühr für das Klageverfahren i.H.v. 646 EUR wie folgt:

Klageverfahren (Streitwert: 20.064 EUR; Gebühr: 646 EUR)

1,6 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 VV RVG;

1.033,60 EUR

1,2 Terminsgebühr Nr. 3202 VV RVG

775,20 EUR

1,0 Erledigungsgebühr Nr. 1003 VV RVG

646,00 EUR

Pauschale für Post und Telekommunikation

(§§ 2, 13 RVG, Nr. 7002 VV RVG: 20%, höchstens 20 EUR)

20,00 EUR

Nettobetrag Klageverfahren

2.474,80 EUR

davon zu erstatten lt. Kostenentscheidung 1/2

1.237,40 EUR

Mit dem streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.08.2014 setzte der Kostenbeamte die an den Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten auf 914,40 EUR fest; die Berücksichtigung der beantragten Erledigungsgebühr wurde abgelehnt. Zwar liege eine Einschränkung des Klagebegehren in einer Größenordnung von über 10 % vor, allerdings habe kein Einwirken auf die Erinnerungsführerin zur Erledigung des Verfahrens stattgefunden, zumal auch kein Vertreter der Erinnerungsführerin in der mündlichen Verhandlung anwesend gewesen sei. Der Bevollmächtigte habe das Verfahren in der mündlichen Verhandlung ohne vorheriges Gespräch mit der Klägerin für erledigt erklärt, sodass kein mit einer zusätzlichen Leistung verbundenes, besonderes Einwirken auf die Erinnerungsführerin erkennbar sei. Daher fehle es an der erforderlichen Mitwirkung bei der Erledigung des Rechtsstreits.

Der Bevollmächtigte macht geltend, er habe nicht nur mitgewirkt, sondern seine anwaltliche Entscheidung habe das erledigende Ereignis letztlich bewirkt. Daher sei es unerheblich, dass neben dem Bevollmächtigten kein weiterer Vertreter der Erinnerungsführerin anwesend gewesen sei. Letztlich sei eine größere Mitwirkung eines Bevollmächtigten bei der Erledigung eines Rechtsstreits als im Streitfall kaum vorstellbar.

II. Die Erinnerung ist begründet. Dem Bevollmächtigten stand die begehrte Erledigungsgebühr zu, weil er in hinreichender Weise bei der Erledigung des Rechtsstreits mitgewirkt hat.

1. Da über Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht vertraglich verfügt werden kann, ist die Entstehung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG regelmäßig ausgeschlossen (VV Nr. 1000 Abs. 4). Stattdessen sieht Nr. 1002 VV RVG die Entstehung einer Erledigungsgebühr vor, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt (Nummer 1003 i.V.m. Nummer 1002 VV). Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch den Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.

a) Das RVG hat die BRAGO ab 1. Juli 2004 abgelöst. In der BRAGO war die Erledigungsgebühr in § 24 geregelt. Danach erhielt der Rechtsanwalt eine Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Zurücknahme oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts erledigte und der Rechtsanwalt bei der Erledigung mitgewirkt hatte...

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