Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirkungszeitpunkt des Verböserungshinweises nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO

 

Leitsatz (amtlich)

Der Verböserungshinweis nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO entfaltet erst dann Wirkung, wenn er vom Einspruchsführer tatsächlich derart zur Kenntnis genommen werden kann, dass eine Stellungnahme möglich ist, die von der Finanzbehörde vor Erlass der Einspruchsentscheidung berücksichtigt werden kann. Die Grundsätze für die Bekanntgabe von schriftlichen Verwaltungsakten greifen nicht.

 

Normenkette

AO § 367 Abs. 2 S. 2

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung einer Einspruchsentscheidung.

Der Kläger wurde mit Bescheid vom 25. Oktober 2013 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer 2012 veranlagt. Die Einkommensteuer wurde auf 2.596 € festgesetzt. Die Eheleute legten am 1. November 2013 Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid ein und beantragten die zusätzliche steuermindernde Berücksichtigung von mehreren Positionen in Form von Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit, von Sonderausgaben, von außergewöhnlichen Belastungen und eines Pflegepauschbetrags nach § 33b Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Mit Schreiben vom 5. Februar 2014 kündigte der Beklagte an, Teile der geltend gemachten Posten in Form des Pflegepauschbetrags nach § 33b Abs. 6 EStG in Höhe von 924 €, weiterer außergewöhnlicher Belastungen in Höhe von 2.846,63 €, Werbungskosten in Form von Abschreibungen für einen Computer in Höhe von 370,66 € und eines Behinderten-Pauschbetrags von 310 € berücksichtigen zu wollen. Gleichzeitig wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass die Finanzbehörde gemäß § 367 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) im Falle eines Einspruchs die Sache voll überprüfen müsse und der Verwaltungsakt auch zum Nachteil des Steuerpflichtigen geändert werden könne. Die als außergewöhnliche Belastungen bislang berücksichtigten behinderungsbedingten Fahrtkosten in Höhe von 4.480 € seien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Deshalb könnten diese nur noch mit einem Pauschbetrag von 900 € angesetzt werden. Dies würde zu einer Verböserung führen, die durch Rücknahme des Einspruchs verhindert werden könne. Der Kläger wurde gebeten, bis zum 28. Februar 2014 mitzuteilen, ob der Einspruch aufrechterhalten bleibe und diesen gegebenenfalls weiter zu begründen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 14. März 2014 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2012 abweichend (höher) auf 3.030 € fest und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

Mit einem auf den 14. März 2014 datierten Schreiben, beim Beklagen eingegangen am 20. März 2014, wies der Kläger darauf hin, dass er mit seiner Frau erst am 14. März 2014 nach einem längeren Auslandsaufenthalt zurückgekommen sei und deshalb erst jetzt antworten könne. Er beantragte "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand", um die Stellungnahme adäquat vorbereiten zu können. Inhaltlich werde bis zum 28. März 2014 zum Schreiben vom 5. Februar 2014 Stellung genommen werden.

Der Kläger hat am 10. April 2014 Klage erhoben. Ihm gehe es darum, die eingetretene Verböserung durch Rücknahme des Einspruchs zu beseitigen. Er sei zusammen mit seiner Ehefrau vom 3. Februar bis zum 14. März 2014 in ... gewesen. Zum Nachweis werde auf eine eingereichte Rechnung des Reisebüros und die Bordkarten nebst Flugplänen Bezug genommen. Als sie am 14. März 2014 (einem Freitag) zurückgekehrt seien, hätten sie das Schreiben des Beklagten vom 5. Februar 2014 vorgefunden und bereits am 17. März 2014 geantwortet und um Fristverlängerung gebeten. Am 18. März 2014 sei dann die Einspruchsentscheidung zugegangen. Es liege ein Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO vor. Das rechtliche Gehör sei nicht gewährt worden. Er, der Kläger, sei bei seiner nur vorübergehenden Urlaubsabwesenheit von 39 Tagen nicht verpflichtet gewesen, dafür Sorge zu tragen, dass ihn Postsendungen erreichten. Bei der Versäumung von gesetzlichen Fristen sei in solchen Fällen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die vorliegende Fallgestaltung sei im Ergebnis gleich zu behandeln. Jedenfalls nach dem Grundsatz von Treu und Glauben müsse ihm Gelegenheit gegeben werden, seinen Einspruch zurückzunehmen.

Der Kläger beantragt nach dem Inhalt seines schriftsätzlichen Vorbringens sinngemäß,

die Einspruchsentscheidung vom 14. März 2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es liege kein wesentlicher Verfahrensfehler vor. Der Kläger sei mit dem Schreiben vom 5. Februar 2014 unter ausreichender Fristsetzung auf die Möglichkeit einer Verböserung hingewiesen worden. Die nachträglich am 17. März 2014 ausgestellte Rechnung des Reisebüros über die Flugreise sei wenig beweiskräftig. Im Übrigen sei die Reise - wenn sie denn stattgefunden habe - bereits am ... 2013 gebucht worden. Ein Hinweis sei ihm, dem Beklagten, jedoch nicht erteilt worden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) einverstanden erklä...

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