Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung von Strohmann- und faktischem Geschäftsführer der GmbH

 

Leitsatz (amtlich)

Die Inanspruchnahme des bestellten Strohmann-Geschäftsführers und des faktischen Geschäftsführers der GmbH als Haftungs-Gesamtschuldner für die nicht abgeführte Lohnsteuer entspricht sachgerechter Ermessensausübung.

Die Haftung des bestellten Geschäftsführers ist nicht von seiner - deklaratorischen - Eintragung oder Löschung im Handelsregister abhängig.

Für das Auftreten eines faktischen Geschäftsführers nach außen kommt es nicht darauf an, in welcher Funktion (z. B. als Gesellschafter, Beirat, Anwalt, Berater, Notar) er im jeweiligen Einzelfall zu handeln vorgegeben hat; entscheidend sind die durch sein Handeln gegenüber Dritten geschaffenen "Fakten" im Gesamterscheinungsbild.

 

Normenkette

AO §§ 5, 34-35, 44, 69, 191 Abs. 1; EStG § 38 Abs. 3, § 41a; GmbHG §§ 43, 64; HGB § 15; InsO § 130 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist in den verbundenen Klagen die Haftung des Klägers zu 1 als Geschäftsführer und des Klägers zu 2 als faktischer Geschäftsführer für die von der Zeitarbeitsfirma T GmbH, H, als Arbeitgeberin angemeldete und vor ihrer Insolvenz nicht mehr abgeführte Lohnsteuer Dezember 1999 bis Januar 2000.

I. SACHSTAND

Der Streit um die Verhältnisse dieses Unternehmens umfasst auch dessen Vorgeschichte im Zusammenhang mit vorher aufgetretenen Zeitarbeitsunternehmen und teilweise identischen handelnden Personen bzw. teilweise übernommenen Arbeitnehmern sowie Niederlassungen und fortgeführter Verwaltung. Im Zeitablauf wechselten nicht nur die Gesellschaften, sondern auch deren teilweise schwer zu unterscheidenden Firmierungen und nicht eingetragenen Unternehmensbezeichnungen.

Die faktische Existenz der Zeitarbeitsunternehmen wurde wesentlich mitbestimmt durch die jeweilige Erlaubnis gemäß Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) durch das örtlich zuständige Landesarbeitsamt (LAA) und durch die Bankverbindung mit Kreditzusage, die dem LAA nachzuweisen war.

1. Vorgängerunternehmen W

a) Eine W T Gesellschaft mit beschränkter Haftung wurde 1989 in O von deren Gesellschafter-Geschäftsführern W und M mit einem später wieder ausgeschiedenen Gesellschafter-Geschäftsführer gegründet - W GmbH O - (Handelsregister - HR - ; Finanzgerichtsakte-Sonderband - FG-SoBd. - IV). Die kennzeichnende Abkürzung W entsprach den Anfangsbuchstaben der drei Gesellschafter-Namen.

b) In 1990 wurde die W T - Gesellschaft mit beschränkter Haftung in K (W GmbH K) durch die W GmbH O und den Mitgesellschafter und Geschäftsführer K sowie einen vorübergehend beteiligten Dritten gegründet (HR; FG-SoBd IV; Strafverfahren Sonderband - SB - 15). In 1990 wurde der als Rechtsanwalt zugelassene Kläger zu 2 als Notarvertreter mit der Beurkundung einer Satzungsänderung für die W GmbH K befasst (Einrichtung eines Beirats; SB 15 Bl. 57). In 1991 legte K die Geschäftsführung nieder und schied aus der Gesellschaft aus; Geschäftsführer wurden danach M und W (HR; SB 15 Bl. 67, 71, 72). In 1993 bestellten sie als Nachfolger S; der Kläger zu 2, der seit 1991 (Anwalts-)Notar war (SB 21 Bl. 1), wurde mit der Registeranmeldung des Geschäftsführerwechsels befasst (HR; SB 15 Bl. 83, 91).

Im November 1994 gaben M und W die ab Mai 1990 erteilte und danach verlängerte AÜG-Konzession nach einem Rechtsstreit an das LAA im Wege des Verzichts zurück (SB 15; AÜG-Akte - AÜG-A - Bl. 66, 155). S erschien als Geschäftsführer auf dem Briefbogen und wurde 1995 im Handelsregister eingetragen (AÜG-A Bl. 155; HR; SB 15 Bl. 91).

Mit Datum vom Dezember 1995 verfasste der Kläger zu 2 einen Gesellschafterbeschluss für die W GmbH K durch deren Alleingesellschafterin W GmbH O, vertreten durch M und W, über die Verlegung der W GmbH K nach M . Eine UR-Nummer ist nur mit Bleistift vermerkt; hinter den Unterschriften befinden sich diverse blanko unterschriebene Bögen (Strafverfahren K 545 Js 29239/00 Beweismittelband - BW - 1). In M gelangte die Gesellschaft nicht zur Eintragung.

c) Eine W T GmbH in R (W GmbH R) wurde durch die W GmbH O mit Urkunde des Klägers zu 2 aus 1991 und Eintragung 1992 gegründet; als Geschäftsführer bestellten sich M und W (HR; SB 21). Die W GmbH R erhielt eine AÜG-Konzession im Juli 1992. Im Mai 1993 schloss die W GmbH R einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit ihrer Muttergesellschaft W GmbH O (HR, SB 21 Bl. 34). Die Konzession der W GmbH R wurde im Juli 1994 zuletzt um ein Jahr verlängert. Im August 1994 wurde die Verlängerungsurkunde zurückgegeben und erklärt, dass von ihr kein Gebrauch mehr gemacht worden sei (AÜG-A Bl. 66, 153 f.).

Im Januar 1996 beschlossen M und W namens der W GmbH O unter notarieller Mitwirkung des Klägers zu 2 die Sitzverlegung der W GmbH R nach O und deren Umfirmierung in W T GmbH - W GmbH R/O - (HR).

d) Insgesamt sollen bei dem (vom Kläger zu 2 zusammenfassend so bezeichneten) Unternehmen W bis zu rund 900 Mitarbeiter beschäftigt gewesen sein (Finanzgerichtsakte-Anlage - FG-Anl. - J 13). Diese sollen teilweise von einer W -GmbH zur anderen gew...

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