Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung "finaler" Verluste einer italienischen Betriebsstätte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verluste einer ausländischen Betriebstätte sind im Jahr der "Finalität" aus Gründen des Unionsrechts ausnahmsweise abzugsfähig, wenn sie im Quellenstaat steuerlich unter keinen Umständen anderweitig verwertbar sind.

2. Eine derartige "Finalität" ist gegeben, wenn auf Grund der rechtlichen Gegebenheiten im Betriebsstättenstaat ein Verlustabzug möglich gewesen wäre, die Verluste jedoch auf Grund der tatsächlichen Umstände definitiv keiner anderweitigen Berücksichtigung mehr zugänglich sind.

3. Der Höhe nach richtet sich der im Fall der "Finalität" zuzulassende Verlustabzug nach innerstaatlichem Recht, weil eine Gleichbehandlung der steuerlichen Folgen eines inländischen und eines grenzüberschreitenden Sachverhalts nur dann erfolgen kann, wenn die Verluste nach dem Steuerrecht des Sitzstaates der übernehmenden Gesellschaft berechnet werden (im Anschluss an EuGH Rs. C-123/11 "A Oy"). Ob und in welchen Fällen von diesem Grundsatz Ausnahmen zuzulassen sind, bedurfte keiner Entscheidung.

 

Normenkette

EGV Art. 43, 48; AEUV Art. 49, 54; DBA-Italien Art. 7 Abs. 1, Art. 24 Abs. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.04.2023; Aktenzeichen I R 44/22 (I R 49/19, I R 17/16))

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Berücksichtigung der Verluste der italienischen Betriebsstätte im Rahmen ihrer Gewinnermittlung im Jahr 2008.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. ... Im Rahmen der Expansion des Unternehmens in europäische Länder ab 2002 wurde im Jahr 2004 in Italien eine Betriebsstätte eröffnete, um den dortigen Markt ... zu erschließen. Die italienische Betriebsstätte erwirtschaftete in den Jahren 2004 bis 2008 Verluste in folgender Höhe:

Jahr

Laut ital. Steuererklärungen

nach deutscher Gewinnermittlung

2004

- ... €

- ... €

2005

- ... €

- ... €

2006

- ... €

- ... €

2007

- ... €

- ... €

2008

- ... €

- ... €

Gesamt - ... €

- ... €

Die Klägerin hat die Verluste weder durch einen Verlustrücktrag noch durch einen Verlustvortrag nutzen können.

Mit Gesellschafterbeschluss vom 09.12.2008 beschlossen die Gesellschafter, dass die Geschäftstätigkeit in Italien ab dem 01.01.2009 von Deutschland aus geführt werden solle. Die Schließung der Niederlassung in Italien wurde zum 31.12.2008 genehmigt. Der Anstellungsvertrag mit dem ... Manager Italien A wurde beendet und das Abfindungspaket genehmigt. Dem ... Manager und der weiteren Mitarbeiterin wurden zum 31.12.2008 gekündigt, das Mietverhältnis über die Büroräume wurde zum 31.12.2008 beendet. Am ... 2009 wurde die Betriebstätte in dem steuerlichen Register in Italien gelöscht.

Mit der Steuererklärung für 2008 machte die Klägerin ausländische Betriebsstättenverluste in Höhe von insgesamt ... € gewinnmindernd geltend. Der Beklagte berücksichtigte diese Verluste nicht und setzte mit Körperschaftsteuerbescheid für 2008 vom 23.11.2011 die Körperschaftsteuer auf ... € fest.

Am 23.12.2011 erhob die Klägerin gegen diesen Bescheid Sprungklage. Der Beklagte erteilte seine Zustimmung zur Sprungklage nicht, so dass das Verfahren als außergerichtlicher Rechtsbehelf fortgeführt wurde.

Am 21.12.2012 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass der Beklagte bisher keine Einspruchsentscheidung erlassen habe, obwohl ein Grund für seine Untätigkeit nicht ersichtlich sei.

Grundsätzlich liege das Besteuerungsrecht für die Einkünfte der Betriebsstätte nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 18.10.1989 (DBA Italien, BGBl II 1990, 743) beim italienischen Fiskus. Abweichend von diesem Grundsatz seien die Verluste der italienischen Betriebsstätte jedoch im Streitjahr bei der Muttergesellschaft zu berücksichtigen, weil diese Verluste sich in Italien weder in diesem Jahr noch in den Folgejahren würden auswirken können. Dies folge aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und der des Bundesfinanzhofs (BFH).

Der italienischen Betriebsstätte sei eine Verlustnutzung nicht möglich gewesen, obwohl das italienische Steuerrecht in der Fassung bis 2011 vorsehe, dass Verluste maximal fünf Jahre vorgetragen bzw. bei Unternehmensneugründungen die Verluste der ersten drei Jahre unbegrenzt vorgetragen werden könnten. Die Betriebsstätte habe in keinem Jahr einen Gewinn erzielt, so dass auch ein Verlustrücktrag nicht möglich gewesen sei. Auch hätten die Verluste nicht einem Dritten übertragen werden können, weil die ... via Internet zukünftig aus Deutschland habe geführt werden sollen. Das wesentliche Vermögen, der Kundenstamm, habe deshalb nicht für eine Veräußerung zur Verfügung gestanden.

Die "Finalität" der erwirtschafteten Verluste beruhe nicht auf einer Verlustabzugsbeschränkung, sondern auf der endgültigen Aufgabe der Betriebsstätte. Nach der Rechtsprechun...

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