Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH VIII B 97/18)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 Nr.1 AO - objektive Feststellungslast - Beweisführung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen, woraus überdies folgt, dass sie bei Zweifeln die objektive Feststellungslast auch für den Zeitpunkt der Aufgabe zur Post trägt.

2. Bestreitet der Empfänger, den Verwaltungsakt innerhalb des Dreitageszeitraums erhalten zu haben, so hat er substantiiert Tatsachen vorzutragen, die schlüssig auf einen späteren Zugang hindeuten und damit Zweifel an der Zugangsvermutung begründen; zudem ist der Empfänger zur Substantiierung konkret möglicher Zweifel hinsichtlich des Aufgabezeitpunkts des Bescheides zur Post verpflichtet, wenn er bereits diesen bezweifelt.

3. Der bloße Hinweis auf ein erhöhtes Postaufkommen zum Jahresende und die wenigen Werktage zwischen Weihnachten und Neujahr sowie daraus möglicherweise resultierenden Nachlässigkeiten der Postbediensteten ist nicht geeignet, Zweifel an der Zugangsfiktion zu begründen.

 

Normenkette

AO § 122 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten in der Sache um die zutreffende steuerliche Behandlung des Ausscheidens des Klägers aus einer Rechtsanwaltssozietät.

Der Kläger war seit 2001 Partner der ... (Partnerschaft). Mit Schreiben vom 30. Juni 2003 erklärte er seinen Austritt zum 1. Januar des Streitjahres 2004. In der Folgezeit war er in A in einer neuen Sozietät ... (Sozietät) tätig.

Auf den Zeitpunkt des Ausscheidens ermittelte die Partnerschaft für den Kläger ein negatives Kapitalkonto in Höhe von ./. ... €. Dieses verbuchte sie als Forderung gegenüber ihrem Gesellschafter.

Zur Beilegung diverser mit dem Ausscheiden verbundener Streitpunkte schlossen die Partnerschaft, der Kläger und die Sozietät im Juni 2009 eine Schiedsvereinbarung dergestalt, dass sich der Kläger mit der Sozietät gesamtschuldnerisch verpflichtete, ... € zuzüglich Umsatzsteuer an die Partnerschaft zu zahlen. Nach Eingang der Beträge sollten diese, soweit es zum Ausgleich erforderlich war, dem Kapitalkonto gutgeschrieben werden. Die Sozietät zahlte daraufhin im Jahr 2009 den vereinbarten Betrag.

Für die Jahre 2003 bis 2007 führte der Beklagte bei der Partnerschaft eine Außenprüfung durch. Er stellte dabei fest, dass im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Klägers aus der Partnerschaft kein Veräußerungsgewinn erklärt worden war, und vertrat die Auffassung, dass die Partnerschaft gegen Zahlung von ... € auf den Ausgleich des negativen Kapitalkontos des Klägers verzichtet habe. Der Beklagte änderte unter anderem die Feststellungsbescheide für 2003 und 2004 mit Bescheiden vom 24. Februar 2012. Für das Jahr 2004 brachte er für den Kläger einen Veräußerungsgewinn in Höhe des negativen Kapitalkontos von ... € zum Ansatz.

Dagegen richtete sich der Kläger mit seinem Einspruch vom 8. März 2012.

Diesen wies der Beklagte im Dezember 2014 als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung trägt das Datum vom 22. Dezember 2014. Gleiches gilt für die in den Akten des Beklagten befindliche Fassung. Zudem trägt sie die Unterschrift der zuständigen Sachgebietsleiterin mit Datumszusatz "18. Dezember 2014" sowie im Verfügungsteil den Absendevermerk mit Datum vom 22. Dezember 2014. Ferner wies sie die Notierung einer Wiedervorlage, das Austragen aus der Rechtsbehelfsliste, ebenfalls mit handschriftlichem Erledigungsvermerk vom 19. Dezember 2014, und die Unterschrift der Verfasserin des Einspruchsschreibens B auf.

Am 30. Januar 2015 (Eingang bei Gericht) hat der Kläger Klage erhoben, die er wie folgt begründet:

Die Klage sei innerhalb der Monatsfrist erhoben worden, mithin zulässig. Die Einspruchsentscheidung sei im Büro der Sozietät erst am 7. Januar 2015 eingegangen. Dies ergebe sich bereits aus dem Eingangsstempel auf der Einspruchsentscheidung.

Der Beklagte könne sich nicht auf die dreitägige Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 108 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) berufen. Bei Aufgabe zur Post am 22. Dezember 2014 sei aufgrund der Weihnachtsfeiertage und des Wochenendes Montag, der 29. Dezember 2014, der dritte Werktag im Sinn der Zugangsfiktion. Jedoch sei bereits zweifelhaft, ob der Beklagte die Einspruchsentscheidung tatsächlich am 22. Dezember 2014 zur Post gegeben habe. Wegen der Weihnachtsfeiertage könne die Post dort einfach liegen geblieben sein. Dem Beklagten sei der Vorwurf zu machen, dass die Mitarbeiterin die Einspruchsentscheidung zu spät gefertigt habe. Sie habe am 19. Dezember 2014 zeitgleich mit der möglichen Abgabe der Einspruchsentscheidung bei der Poststelle einfach ihren Weihnachtsurlaub angetreten, ohne zu kontrollieren, ob das Schreiben intern tatsächlich weiterbearbeitet worden sei. So sei das Schreiben lediglich in die Postausgangsbox des Finanzamtes gelegt worden. Dies sei pflichtwidrig. Das Schriftstück hätte wenigstens persönlich in die Poststelle gebracht und dort persönlich übergeben werden müssen....

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