Entscheidungsstichwort (Thema)

(Nicht-)Ausübung des Antragsrechts nach § 34 Abs. 3 EStG als Fehler nach § 129 AO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Wahlrechtsausübung, die dem Finanzamt nicht übermittelt wird, führt nicht zu einem Fehler nach § 129 AO.

2. Eine Wiedereinsetzung nach§ 110 AO kommt bei einem Irrtum über das materielle Recht nicht in Betracht.

3. Ein neu gestellter Antrag kann im Änderungsrahmen von § 177 AO berücksichtigt werden, wenn ein Grundlagenbescheid geändert worden ist.

 

Normenkette

AO §§ 110, 129, 173, 175, 177; EStG § 34 Abs. 3

 

Tatbestand

Streitig ist, in welchem Umfang bei der Einkommensteuer 2013 eine ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt werden kann.

Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen veranlagt. U.a. erklärten sie in ihrer elektronisch übermittelten Einkommensteuererklärung für 2013 vom 18. November 2014 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Steuerpflichtigen reichten im Nachgang zur elektronisch übermittelten Steuererklärung weitere Unterlagen ein. Daraus ergab sich, dass es sich bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb im Wesentlichen um einen vorläufig ermittelten (noch nicht gesondert und einheitlich festgestellten) Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 2 EStG in Höhe von … Euro aus der Veräußerung des Kommanditanteils an der A GmbH und Co. KG sowie einen Veräußerungsverlust nach § 17 Abs. 2 EStG in Höhe von … Euro aus der Veräußerung der Anteile an der Verwaltungsgesellschaft B GmbH handelte.

Mit Einkommensteuerbescheid vom 19. Januar 2015 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2013 auf … Euro fest. Dabei berücksichtigte der Beklagte den Veräußerungsgewinn und den Veräußerungsverlust in der oben genannten Höhe. Ein ermäßigter Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG wurde dabei nicht angewandt. Der laufende Gewinn aus Beteiligungen wurde mit 0 Euro festgesetzt. Der Bescheid erging nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Mit Änderungsbescheid vom 24. November 2015 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf … Euro herauf, nachdem am 5. November 2015 ein Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach§ 15a Abs. 4 EStG für 2013 für die A GmbH und Co. KG ergangen war, aus dem sich ein Veräußerungsgewinn in Höhe von … Euro ergab. Der dort festgestellte laufende Gewinn von … Euro wurde nicht in den Einkommensteuerbescheid übernommen. Der Feststellungsbescheid selbst beruhte auf der am 29. Juni 2015 eingegangenen Feststellungserklärung.

Am 30. November 2015 rief der Steuerberater der Kläger beim Beklagten an und teilte mit, dass ihm aufgefallen sei, dass bereits im Erstbescheid vom 19. Januar 2015 auf den Veräußerungsgewinn kein ermäßigter Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG gewährt worden sei.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2015 erhoben die Kläger Einspruch gegen den Änderungsbescheid. Zur Begründung führten sie aus, der Bescheid berücksichtige den Antrag auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf den Veräußerungsgewinn nicht. Vorsorglich werde der Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG wiederholt.

Mit Bescheid vom 23. Dezember 2015 änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2013 dahingehend, dass die ursprüngliche Einkommensteuer festgesetzt wurde. Dabei berücksichtigte der Beklagte den Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG, verwies aber auf den ihm gesetzten Änderungsrahmens nach § 177 der Abgabenordnung (AO), der nur eine Herabsetzung der Steuer auf die ursprüngliche Höhe erlaube.

Die Kläger hielten ihren Einspruch aufrecht. Der ermäßigte Steuersatz müsse auf den vollen Veräußerungsgewinn angewandt werden. Der Einkommensteuerbescheid könne wegen einer offenbaren Unrichtigkeit bzw. neuen Tatsachen geändert werden. Es habe einen Fehler gegeben. Dieser sei folgendermaßen zustanden gekommen: Die Steuerberatungskanzlei arbeite mit xxx zusammen. Die Steuererklärung sei lokal in der Kanzlei gespeichert und werde dann mit Hilfe von xxx an den Beklagten übermittelt. Die Mitarbeiterin des Steuerberaters habe die ermäßigte Steuer für den Veräußerungsgewinn 1 im Programm beantragt. Das sei nach ihrem Verständnis der Veräußerungsgewinn gewesen, der in der ersten Zeile unter der „Anlage G Veräußerungsgewinne – steuerpflichtige“ ausgewiesen sei. Leider seien die Veräußerungsgewinne falsch herum nummeriert gewesen (in Zeile 1 habe der Veräußerungsgewinn 2 (§ 16 EStG) gestanden und in Zeile 2 der Veräußerungsgewinn 1 (§ 17 EStG)), so dass der Antrag auf ermäßigte Steuer dem Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG zugeordnet worden sei. Dort sei der Antrag nicht relevant gewesen und dem Beklagten auch nicht übermittelt worden. Daher sei der Antrag gestellt worden, jedoch aufgrund eines Datenübermittlungsfehlers nicht dem Beklagten übermittelt worden. Es werde daher Wiedereinsetzung beantragt und beantragt, dass diese offensichtliche Unrichtigkeit berichtigt werde. Es liege ein mechanisches Versehen der Mitarbeiterin der Kanzlei vor. Jedenfalls müsse der Steuerbescheid aufgrund nachträglich bekannt gewordener Tats...

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