Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine verdeckte Gewinnausschüttung bei dauerhaft defizitärem Betrieb einer Stadtbibliothek

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Unterhaltung eines strukturell dauerdefizitären Betriebs gewerblicher Art ohne Verlustausgleich und angemessenen Gewinnaufschlag führt nicht zu verdeckten Gewinnausschüttungen, wenn keine kommunalen Pflichtaufgaben erfüllt werden, die geeignet sind, beim Träger Vorteil auszulösen.
  2. Das gesetzgeberische Ziel der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen gebietet bei einer strukturell dauerdefizitären Stadtbibliothek bereits mangels privater Wettbewerber keine Einkommenskorrektur.
  3. Der ausdrückliche Verzicht auf das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht in § 4 Abs. 1 Satz 2 KStG bedeutet die gesetzliche Akzeptanz dauerdefizitärer Betriebe gewerblicher Art.
 

Normenkette

AO § 181 Abs. 5 S. 1; KStG § 4 Abs. 1 S. 2, § 8 Abs. 3 S. 2; GemO NW § 107 Abs. 2, § 109; Eigenbetriebsverordnung NW § 10

 

Streitjahr(e)

1990, 1991, 1992, 1993

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Gebietskörperschaft, die seit 1975 einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) Stadtbibliothek als Regiebetrieb unterhält. Der BgA erzielte von Beginn an dauerhaft Verluste. Die nach der Kameralistik (ohne Abschreibungen und Zinsen) ermittelten Verluste beliefen sich auf 2 bis 4 Mio DM jährlich. Wegen der Höhe der Verluste im Einzelnen wird auf die Aufstellung auf S. 2 der Klagebegründung (Bl. 13 FG-Akte) Bezug genommen. Im Hinblick auf die Dauerverluste unterblieben zunächst Veranlagungen zur Körperschaftsteuer. Erstmals für den Veranlagungszeitraum 1994 erfolgte eine Körperschaftsteuerfestsetzung, nachdem die Klägerin in diesem Jahr Wertpapiere (Aktien der „S” AG) in den BgA eingelegt hatte.

Am 25.10.2003 beantragte die Klägerin die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes auf den 31.12.1990 bis einschließlich 31.12.1993. Der Beklagte lehnte den Antrag zunächst mit der Begründung ab, die erklärten Verluste seien im Hinblick auf verdeckte Gewinnausschüttungen nicht zu berücksichtigen. Die hiergegen eingelegten Einsprüche wies der Beklagte anschließend mit dem Hinweis zurück, dass wegen eingetretener Feststellungsverjährung in den Streitjahren keine gesonderte Verlustfeststellung mehr in Betracht komme.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der Klägerin verfahrensrechtliche Hindernisse für den Erlass der beantragten Verlustfeststellungsbescheide verneint und im übrigen ausführlich dazu Stellung nimmt (vgl. die gutachterliche Stellungnahme Bl. 76 bis 89 FG-Akte), warum das bloße Unterhalten eines dauerdefizitären BgA zu keiner verdeckten Gewinnausschüttung führt.

Die Klägerin beantragt (Bl. 2 FG-Akte), unter Aufhebung des Bescheids vom 5.3.2003 und der Einspruchsentscheidung vom 27.1.2004 folgende verbleibende Verlustabzüge festzustellen:

- auf den 31.12.1990 19.983.856,05 DM (10.217.583,86 EUR),

- auf den 31.12.1991 23.572.104,19 DM (12.052.225,50 EUR),

- auf den 31.12.1992 27.217.624,65 DM (13.916.150,51 EUR),

- auf den 31.12.1993 31.273.219,04 DM (15.989.742,99 EUR),

hilfsweise für den Unterliegensfall Zulassung der Revision.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung und ebenfalls hilfsweise Revisionszulassung.

Er hält daran fest, dass die beantragte Verlustfeststellung nicht vorgenommen werden könne, weil wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung kein Körperschaftsteuerbescheid für die Streitjahre mehr ergehen könne. Zudem seien steuerlich berücksichtigungsfähige Verluste nicht angefallen, da diesen rechnerischen Verlusten verdeckte Gewinnausschüttungen in zumindest gleicher Höhe gegenüber stünden.

Vorsorglich weist der Beklagte darauf hin, dass die geltend gemachten Verluste von ihm bislang nicht auf ihre sachliche Richtigkeit überprüft worden sind.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Ablehnung der begehrten Verlustfeststellung verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO). Entgegen der Auffassung des Beklagten ist im Streitfall keine Feststellungsverjährung eingetreten. Die geltend gemachten Verluste sind in der beantragten Höhe festzustellen, da in den Streitjahren keine verdeckten Gewinnausschüttungen vorgenommen worden sind.

1. Dem Erlass der begehrten Verlustfeststellungsbescheide stehen keine verfahrensrechtlichen Hindernisse entgegen.

Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kann eine Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung noch für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben, die begehrten Verlustfeststellungen haben Bedeutung für die Körperschaftsteuerfestsetzungen in nach den Streitjahren liegenden Veranlagungszeiträumen, in denen im Zeitpunkt der Antragstellung noch keine Festsetzungsverjährung eintreten war (vgl. hierzu S. 8 der Klagebegründung; Bl. 19 FG-Akte).

Dass für die Streitjahre selbst Festsetzungsverjährung eingetreten ist, ist in diesem Zusammenhang...

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