Entscheidungsstichwort (Thema)

Veräußerung der Zinsscheine von Bundesanleihen nach Bondstripping - Separate Veräußerung der Anleihemäntel an zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft – Nichtanwendbarkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung der Anleihemäntel von Bundesanleihen nach deren Abtrennung von den Zinsscheinen (sog, Bondstripping) sind die Anschaffungskosten der ungetrennten Anleihen auch bei im Privatvermögen gehaltenen Anleihen im Verhältnis der jeweiligen Marktwerte auf den Anleihemantel und die Zinsscheine aufzuteilen.

2. Nähme man hingegen an, dass die ursprünglichen Anschaffungskosten der Anleihen in vollem Umfang auf die Anleihemäntel entfielen, läge in der Generierung dem allgemeinen Steuertarif unterliegender und voll verrechenbarer Verluste durch die Trennung in Anleihemäntel und Zinsscheine und die anschließende separate Veräußerung der Anleihemäntel an eine vom Stpfl. beherrschte zwischengeschaltete GmbH ein allein der Steuerminderung dienender Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts im Sinne von § 42 AO.

3. Die Anwendung der allgemeinen Missbrauchsnorm des § 42 Abs. 2 AO wird in diesem Fall nicht durch die spezialgesetzliche Missbrauchsregelung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG verdrängt.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. b, Nr. 7, Abs. 4 S. 1, § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. b, S. 2; HGB § 255 Abs. 1; AO § 42; FGO § 96 Abs. 1 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.11.2022; Aktenzeichen VIII R 15/19)

 

Tatbestand

Streitig ist die einkommensteuerrechtliche Beurteilung des sog. Bondstripping von im Privatvermögen gehaltenen Bundesanleihen mit anschließender Veräußerung der Zinsscheine an eine Bank und der Anleihemäntel an eine Kapitalgesellschaft im Sinne von § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG im zeitlichen Geltungsbereich der Abgeltungsteuer vor Einfügung von § 20 Abs. 2 Satz 4 und 5 sowie Abs. 4 Satz 8 und 9 EStG.

Der Kläger erwarb am 30.04.2013 die Bundesanleihe mit der ISIN „x1” mit einer Laufzeit bis zum xx.xx.2040 zu einem Kaufpreis von 999.999,20 € (einschließlich gezahlter Stückzinsen in Höhe von 24.561,29 €) zugunsten seines Wertpapierdepots bei der Y-Bank und erteilte der Bank die Weisung, die Bundesanleihe in Anleihemantel und Zinsscheine zu trennen. Nach der Trennung veräußerte er die Zinsscheine am 07.05.2013 für insgesamt 624.833,91 € an eine Bank. Am 13.05.2013 veräußerte der Kläger den Anleihemantel für 328.836,30 € an die A-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter der Kläger ist. Die Mittel zum Erwerb des Anleihemantels stellte der Kläger der GmbH darlehensweise zur Verfügung. Die A-GmbH ihrerseits veräußerte den Anleihemantel am 15.05.2013 zum Preis von 327.108,06 € weiter.

Außerdem erwarb der Kläger am 17.05.2013 die Bundesanleihe mit der ISIN „x2” mit einer Laufzeit bis zum xx.xx.2039 zu einem Kaufpreis von 979.999,54 € (einschließlich gezahlter Stückzinsen in Höhe von 25.323,02 €) zugunsten seines Wertpapierdepots bei der Y-Bank und erteilte der Bank die Weisung, die Bundesanleihe in Anleihemantel und Zinsscheine zu trennen. Nach der Trennung veräußerte er die Zinsscheine am 23.05.2013 für insgesamt 589.159,72 € an eine Bank. Am 29.05.2013 veräußerte der Kläger den Anleihemantel für 356.165,96 € an die A-GmbH. Die Mittel zum Erwerb des Anleihemantels stellte der Kläger der GmbH darlehensweise zur Verfügung. Die A-GmbH ihrerseits veräußerte den Anleihemantel am 31.05.2013 zum Preis von 358.988,45 € weiter.

Die A-GmbH war mit Gesellschaftsvertrag vom xx.xx.2012 unter der Firma B-GmbH als sog. Vorratsgesellschaft gegründet worden. Am yy.yy.2012 erwarb der Kläger sämtliche Anteile der Gesellschaft, die daraufhin in A-GmbH umfirmierte. In der Zeit vom 06. bis 14.12.2012 und 17. bis 27.12.2012 führte der Kläger bereits zwei mit den vorliegend streitigen Transaktionen vergleichbare Geschäfte mit erheblich höheren Volumina durch (Kauf von Bundesanleihen zum Preis von 3.946.356,43 € bzw. 3.861.202,11 €; Veräußerung der Zinsscheine zum Preis von 2.648.427,18 € bzw. 2.276.867,87 €; Veräußerung der Anleihemäntel an die A-GmbH zum Preis von 1.360.614,45 € bzw. 1.467.333,51 €). …

In ihrer Einkommensteuererklärung 2013 erklärten die Kläger die Erlöse aus der Veräußerung der Zinsscheine (624.833,91 € + 589.159,72 €) als dem Abgeltungsteuersatz von 25 Prozent (§ 32d Abs. 1 EStG) unterliegende Kapitaleinkünfte im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG. Die Anschaffungskosten der Bundesanleihen (ohne Stückzinsen = 1.930.114,43 €) ordneten sie in vollem Umfang den Anleihemänteln zu, so dass sich aus deren Veräußerung ein Verlust von ./. 1.245.112,17 € (685.002,26 ./. 1.930.114,43 €) ergab. Diesen Verlust erklärten die Kläger als gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG dem allgemeinen Einkommensteuertarif nach § 32a EStG unterfallenden und gemäß § 32d Abs. 2 Satz 2 EStG von der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 EStG ausgenommenen Verlust.

Dem...

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