vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld: Mehraktige einheitliche Erstausbildung zum Verwaltungsfachwirt, Vollzeiterwerbstätigkeit nach Abschluss der Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Bei der von vorneherein angestrebten Weiterbildung eines Verwaltungsfachangestellten zum Verwaltungsfachwirt im Rahmen eines zum nächstmöglichen Zeitpunkt begonnenen berufsbegleitenden Studiums handelt es sich noch um einen Teil einer einheitlichen mehraktigen Erstausbildung, während der der Kindergeldanspruch nicht durch die nach dem ersten berufsqualifizierenden Abschluss ausgeübte Vollzeiterwerbstätigkeit ausgeschlossen wird.
  2. Ungeachtet des zeitlichen Verhältnisses der Arbeitstätigkeit und der Ausbildungsmaßnahmen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 11. Dezember 2018 III R 26/18, juris) liegt keine anspruchsschädliche berufsbegleitende Zweitausbildung, sondern ein im Vordergrund stehendes Ausbildungsverhältnis vor, wenn die Ausbildung zum Verwaltungsfachwirt sowohl im überwiegenden Interesse des Auszubildenden als auch der Beschäftigungskörperschaft liegt.
 

Normenkette

EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 32 Abs. 4 Sätze 2-3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.02.2020; Aktenzeichen III R 28/19)

 

Tatbestand

Der Kläger bezog zunächst fortlaufend Kindergeld für seinen Sohn A (geb. 1995). In einem Kindergeldantrag vom 26.6.2013 gab der Kläger an, sein Sohn werde eine Berufsausbildung vom 1.8.2013 bis 31.7.2016 absolvieren.

A durchlief im Rahmen seiner Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten bei der Stadt B vom 1.8.2013 bis 16.6.2016 den Verwaltungslehrgang I. Die Ausbildung endete mit dem Bestehen der Prüfung am 16.6.2016. Der Sohn wurde mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden übernommen. Die Stadt B meldete den Sohn am 3.8.2016 zum nächstmöglichen Termin für den Verwaltungslehrgang II zum Verwaltungsfachwirt bei dem Studieninstitut () ab November 2016 an. Ausweislich einer Schulbescheinigung bietet der Lehrgang eine vertiefende Weiterbildung für Fachkräfte der Verwaltung, die als Verwaltungsfachangestellte ausgebildet worden sind, um die Teilnehmer für eine qualifizierte Sachbearbeitung und die Übernahme von Führungsaufgaben zu befähigen. Der Unterricht wird Freitags sowie jeden zweiten Samstag erteilt. Zusätzlich findet in den Herbst- und Osterferien ganztägiger Blockunterricht statt. Dieser Verwaltungslehrgang umfasst insgesamt 1050 Stunden Unterricht und wird bis voraussichtlich Juni/Juli 2019 dauern.

Mit Bescheid vom 9.1.2018 lehnte die Familienkasse einen Antrag des Klägers vom 27.12.2017 auf Gewährung von Kindergeld ab November 2016 ab. Der hiergegen erhobene Einspruch des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom 2.8.2018 als unbegründet zurückgewiesen. Der Sohn des Klägers habe eine erstmalige Berufsausbildung im Juni 2016 abgeschlossen. Vor dem Beginne des Verwaltungslehrgangs II im November 2016 habe eine Erklärung, dass die Ausbildung noch nicht abgeschlossen sei, nicht vorgelegen. Es fehle daher an einem zeitlichen Zusammenhang der Ausbildungsabschnitte. Die Erwerbstätigkeit des Sohnes stehe daher der Gewährung von Kindergeld entgegen (§ 32 Abs.4 Satz 3 EStG). Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Der Kläger hat am 27.8.2018 Klage erhoben und trägt im Wesentlichen vor, nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats in vergleichbaren Fällen handele es sich um eine mehraktige Ausbildung, die in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehe. Der Abschluss der Erstausbildung sei integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs im Rahmen der öffentlichen Verwaltung.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 9.1.2018 und der Einspruchsentscheidung vom 2.8.2018 die Beklagte zu verpflichten, für den Sohn A Kindergeld ab November 2016 bis Juni 2019 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und bezieht sich zunächst auf die Gründe der Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt sie unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BFH vom 11.12.2019 III R 26/18 vor, hieraus ergäbe sich, dass die Ausbildung des Sohnes bereits mit Bestehen der Prüfung zum Verwaltungsfachangestellten abgeschlossen gewesen sei und die anschließende Ausbildung zum Verwaltungsfachwirt lediglich eine Weiterbildung darstelle.

Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, dass der Berichterstatter an Stelle des Senats entscheidet.

Das Gericht hat den Sohn des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 22.3.2019 als Zeugen gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der von der Familienkasse vorgelegten Kindergeldakten.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Kindergeldanspruch für seinen Sohn für die Zeit von November 2016 bis August 2018.

Gemäß § 62 Abs...

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