Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruchskonkurrenz zwischen zwei EU-Staaten – Beamter mit Wohnsitz in den Niederlanden – Erwerbstätigkeit des Ehegatten im Wohnsitzstaat

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der inländische Kindergeldanspruch eines deutschen (Ruhestands-)Beamten mit Familienwohnsitz in den Niederlanden, dessen Ehefrau eine nichtselbständige Erwerbstätigkeit im Wohnsitzstaat ausübt, ruht nur in dem Umfang, in dem im Wohnsitzstaat Familienleistungen aufgrund der Erfüllung aller Voraussetzungen für die Auszahlung – einschließlich der erforderlichen Antragstellung – tatsächlich geschuldet werden.
  2. Bei der Befugnis nach § 76 Abs. 2 VO Nr. 1408/71, eine Anrechnung so vornehmen zu können, als ob Leistungen im Wohnland gewährt worden wären, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung.
 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 3, § 62 Abs. 1 Nr. 2b, § 63 Abs. 1 S. 3; VO (EWG) Nr. 1408/71 Art. 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Buchst. d); VO (EWG) Nr. 1408/71 Art. 73; VO (EWG) Nr. 1408/71 Art. 76 Abs. 1-2, Art. 77 Abs. 2 Buchst. a), Art. 79 Abs. 3, Nr. 574/72 Art. 10

 

Streitjahr(e)

2003, 2004, 2005

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 06.07.2016; Aktenzeichen XI R 47/10)

 

Tatbestand

Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und lebt seit 1992 zusammen mit seiner Familie in den Niederlanden. Er war Berufssoldat und befindet sich seit April 2005 im Ruhestand. Er wird auf Antrag als in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt. Seine Ehefrau nahm im Jahre 2000 in den Niederlanden eine nichtselbständige Tätigkeit auf. Der Kläger erhielt fortlaufend für zwei Kinder, C (geb. 1987) und B (geb. 1989) deutsches Kindergeld. Beide Kinder befanden sich nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres in einer Berufsausbildung. Der Kläger teilte mit Kindergeldantrag vom 2.10.2006 mit, dass seine Ehefrau in den Niederlanden einer Beschäftigung nachgeht.

Auf eine entsprechende Anfrage der Familienkasse teilte der Niederländische Träger des Kindergeldes (SVB) mit Schreiben vom 16.3.2007 die Höhe des niederländischen Kindergeldes für den Zeitraum 1. Quartal 2000 bis einschließlich 4. Quartal 2006 mit, das die Ehefrau des Klägers für die beiden Kinder erhalten hätte, wenn rechtzeitig entsprechende Leistungen in den Niederlanden beantragt worden wären. Mit Bescheid vom 24.5.2007 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab Oktober 2000 bis einschließlich Dezember 2006 für beide Kinder auf, und zwar in Höhe der niederländischen Familienleistungen. Den Rückforderungsbetrag berechnete die Beklagte mit 12.067,12 EUR. Der Kläger erhob hiergegen am 7.6.2007 Einspruch. Mit Bescheid vom 26.9.2007 änderte die Familienkasse den Bescheid und hob die Kindergeldfestsetzung im Hinblick auf eine eingetretene Festsetzungsverjährung für die Rückforderung nunmehr nur noch ab Januar 2003 auf. Den Rückforderungsbetrag für den Zeitraum Januar 2003 bis August 2006 berechnete sie mit 8.094,80 EUR. Gleichzeitig bewilligte sie Teilkindergeld für den Zeitraum September bis Dezember 2006 in Höhe von 879,43 EUR. Dieser Betrag werde mit dem Rückforderungsbetrag verrechnet. Unter demselben Datum erließ die Beklagte einen weiteren Bescheid, in dem sie für die Kinder Teilkindergeld ab Januar 2007 bewilligte; den dem Kläger zustehenden Betrag bis September 2007 errechnete die Beklagte mit 2.236,50 EUR. Diesen Betrag rechnete die Familienkasse auf die noch offene Rückforderung an. Der Bescheid erfolgt im Hinblick auf die noch ungeklärte Höhe niederländischer Familienleistungen vorläufig. Auch gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 9.10.2007 Einspruch.

Mit Einspruchsentscheidung vom 8.5.2008 wies die Familienkasse den Einspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 24.5.2007 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 26.9.2007 als unbegründet zurück und setzte den Rückforderungsbetrag auf 2.271,45 EUR herab. Zur Begründung heißt es hierin im Wesentlichen, da die Ehefrau des Klägers auf Grund ihrer Erwerbstätigkeit in den Niederlanden einen Anspruch auf Familienleistungen in den Niederlanden hat, sei das deutsche Kindergeld nur noch in Höhe des Unterschiedsbetrages zu zahlen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen (Bl. 10ff der Gerichtsakten)

Der Kläger hat am 4.7.2008 Klage erhoben, zu deren Begründung er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Er trägt im Wesentlichen vor, die SVB habe rückwirkend Kindergeld nur für ein Jahr ab Antragstellung, mithin ab dem 3. Quartal 2005 bis zum 2. Quartal 2007 erstattet. Er hat hierzu ein Schreiben der SVB vom 5.6.2008 vorgelegt, wonach sich der Nachzahlungsbetrag auf 2.706,70 EUR belief und an die Familienkasse gezahlt worden sei. Er vertritt die Ansicht, eine rückwirkende Änderung des Bescheides und eine Rückforderung über den Betrag in Höhe von 2.707,42 EUR, der von der niederländischen SVB erstattet wurde, hinaus, entspreche nicht den europäischen Vorschriften. Dies ergäbe sich u.a. aus Art. 112 der VO (EWG) 574/72, wonach überzahlte Leistungen zu Lasten des Trägers gehe, wenn eine...

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