Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkende Verrechnung von Witwen- und Unfallrente: Erfüllungsfiktion bei Leistungsausgleich zwischen den Sozialversicherungsträgern – Steuerliche Umqualifizierung der Leistungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird eine rückwirkend gewährte Rente aus der Unfallversicherung im Wege des unmittelbaren Leistungsausgleichs zwischen den Sozialversicherungsträgern auf die bisher gezahlte Witwenrente angerechnet, sind aufgrund der zu einer Umqualifizierung der Leistungen führenden Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X die bisher steuerlich als Rentenzahlungen erfassten Zuwendungen in Höhe des auf die Unfallrente entfallenden Teils als steuerfreie Zahlungen der Berufsgenossenschaft aus der gesetzlichen Unfallversicherung anzusehen (vgl. BMF-Schreiben vom 7.12.2011, BStBl 2011 I S. 1223, Rz. 49 f.).

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 1 a, § 22 Nr. 1 a S. 2 a) aa); SGB X § 93 Abs. 1, §§ 103, 107

 

Tatbestand

Mit Bescheid vom…wurde der Klägerin von der A eine Witwenrente bewilligt. Die A teilte dem Beklagten die Höhe der Rentenzahlungen elektronisch mit. Die Klägerin ließ ihre elektronische Steuererklärung des Jahres 2020 von der…fertigen und dem Beklagten am 15.6.2021 übermitteln.

Die Zahlungen aus dieser Rente (... Euro im Jahr 2020) wurden mit ihrem steuerpflichtigen Teil (... Euro im Jahr 2020) als sonstige Einkünfte/Leibrenten im Sinne von § 22 Nr. 1 a Satz 2 a) aa) Einkommensteuergesetz (EStG) nach Abzug der Werbungskosten bei der Einkommensteuerfestsetzung der Klägerin vom 2.3.2021 vom 25.6.2021 für das Jahr 2020 berücksichtigt.

Bereits mit an die Klägerin gerichtetem Bescheid…war der Klägerin von der Berufsgenossenschaft…(nachfolgend Berufsgenossenschaft) rückwirkend für die Zeit ab dem 31.12.2018 eine Rente aus der Unfallversicherung gewährt worden. Die A hatte deshalb mit Bescheid vom xx.xx.2021 der Klägerin mitgeteilt, dass die Rente aus der Unfallversicherung auf die Rente aus der A anzurechnen sei (§ 93 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - SGB - VI), der Bescheid der A über die Höhe der Rente gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft, d.h. den Beginn der laufenden Zahlungen aus der Unfallrente, im Fall der Klägerin zum 1.1.2021 aufgehoben werde und die bisherigen Zahlungen aus der A mit Ablauf des Monats Dezember 2020 eingestellt werden würden. Für die Zeit vom 31.12.2018 bis zum 31.12.2020 gelte gegenüber der Klägerin allerdings die Erfüllungsfiktion von § 107 SGB X. Nach dieser Vorschrift seien die Leistungen der A so zu behandeln, als wenn es sich um Zahlungen der Berufsgenossenschaft gehandelt habe. Deswegen seien die in der Zeit vom 1.1.2019 bis 31.12.2020 von der A zu hoch geleisteten Zahlungen in Höhe von…Euro nicht von der Klägerin zurück zu fordern, sondern es werde gem. § 103 SGB X Erstattung gegenüber der Berufsgenossenschaft geltend gemacht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen. Der Anlage zum Bescheid, dortselbst auf Seite 3 ist zu entnehmen, dass…Euro auf Rückforderungen für den Zeitraum 1.1.2019 bis 31.12.2019 und…Euro auf Rückforderungen für den Zeitraum 1.1.2020 bis 31.12.2020 entfielen.

Mit Schreiben vom 8.7.2021 legte die Klägerin unter Hinweis auf den Bescheid der A und darauf, dass eine Unfallrente gem. § 3 Nr. 1 a EStG steuerfrei sei und nicht dem Progressionsvorbehalt unterliege, Einspruch gegen die Steuerfestsetzung des Jahres 2020 ein.

Der Beklagte wies den Einspruch gegen die Steuerfestsetzung des Jahres 2020 mit Einspruchsentscheidung vom 10.11.2021 zurück. Zur Begründung führte er unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 7.12.2011, IV C 3 S - 2257- c/10/10005:003, FMNR50b000011, dortselbst Rz. 50ff aus, dass die Änderung des Rechtsgrundes der Rentenzahlung kein rückwirkendes Ereignis sei, sondern für Rentenzahlungen das Zu- und Abflussprinzip gelte, weshalb die im Jahr 2021 erfolgte Verrechnung der A ihrer gegen die Klägerin bestehenden Rückzahlungsansprüche mit den Nachzahlungsansprüchen der Klägerin aus ihrer Unfallrente als im Veranlagungszeitraum 2021 zu berücksichtigende Rückzahlung der Klägerin anzusehen sei. Soweit der Rückzahlungsbetrag im Jahr 2021 die in diesem Jahr zugeflossenen Rentenzahlungen übersteige, sei ein etwa entstehender Negativbetrag bei der Einkünfteermittlung zu berücksichtigen.

Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin vor:

Die Umqualifizierung der Witwenrente in eine Unfallrente sei ein Ereignis, dass steuerlich auf das Jahr des Zuflusses zurückwirke. Entsprechend müsse auch die Korrektur im Jahr des Zuflusses und nicht im Jahr der Verrechnung erfolgen. Der Beklagte könne die elektronisch von der A übermittelten Daten zwar der Besteuerung zugrunde legen. Es handele sich aber nicht um einen Grundlagenbescheid. Entsprechend könne der Beklagte von den übermittelten Daten abweichen, wenn sich deren Unrichtigkeit herausstelle. Der vorliegende Sachverhalt entspreche dem Beispiel im Anwendungserlass zur Abgabenordnung, wonach bei rückwirkender Zubilligung einer Rente, durch die ga...

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