Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitliche Abgrenzung zwischen „neuem” und „altem” Wohnungsbegriff im Bewertungsrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Bei Bestandskraft eines Artfortschreibungsbescheides auf den 01.01.1984 vor dem Ergehen des gleichlautenden Ländererlasses vom 15.05.1985 (BStBl I 1985, 201) und vor Ergänzung des § 20 Abs. 2 BewG im Hinblick auf die Anwendbarkeit von Übergangsregelungen richtet sich die Unterscheidung zwischen Ein- und Zweifamilienhäusern nach dem neuen Wohnungsbegriff des BFH-Urteils vom 05.10.1984 III R 192/83 (BStBl II 1985, 121).
  2. War mit diesem Bescheid rechtswidrig die Artfeststellung „Zweifamilienhaus” getroffen worden, so können bauliche Veränderungen, die die nach richtiger Anschauung vorliegende Grundstücksart nicht berühren, keine Artfortschreibung wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse rechtfertigen.
  3. Allein auf die Verkündung und Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 05.10.1984 III R 192/83 kann mangels positiver Kenntnis des Bewertungsfehlers im Einzelfall keine fehlerbeseitigende Artfortschreibung auf nachfolgende Stichtage gestützt werden.
  4. Die spätere Kenntniserlangung der Finanzbehörde von einer in der Vergangenheit eingetretenen Sachverhaltsänderung stellt kein den Erlass eines Wertfortschreibungsbescheids rechtfertigendes rückwirkendes Ereignis dar.
  5. Die Anwendbarkeit des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO im Bewertungsrecht setzt voraus, dass auf den gleichen Stichtag schon ein früherer Einheitswertbescheid ergangen ist, dessen Inhalt sich sodann wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen als unrichtig erweist. Die Fortwirkung der auf einen früheren Stichtag vorgenommenen Wertfeststellung auf spätere Stichtage begründet keine solche Änderungsbefugnis.
 

Normenkette

BewG § 20 Abs. 2 2. Halbsatz, § 22 Abs. 2-3, 4 S. 3 Nrn. 1, 2 1. Halbsatz, § 75 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 S. 1, Abs. 6 S. 1; AO § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 1, § 181 Abs. 1 S. 1

 

Streitjahr(e)

1992

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte eine Art- und Wertfortschreibung auf den 01.01.1992 wegen baulicher Veränderungen vornehmen durfte.

Der Kläger erwarb im Jahre 1980 das unbebaute Grundstück … in (Grundbuch …, Blatt …, Gemarkung Flur …, Flurstück …). Auf diesem Grundstück errichtete der Kläger im Jahre 1983 ein Wohnhaus. Das Erdgeschoss des Wohnhauses wurde in vollem Umfang eigengenutzt und das erste Obergeschoss zum Teil eigengenutzt (41 m²) und zum Teil fremdvermietet (27 m²). Der Beklagte erließ am 15.06.1984 einen Einheitswertbescheid über die Wert- und Artfortschreibung auf den 01.01.1984. Der Bescheid wurde nach Ablauf der Einspruchsfrist bestandskräftig. Darin stellte der Beklagte den Einheitswert des Grundstücks auf 72.300 DM fest und führte eine Artfortschreibung zum Zweifamilienhaus durch.

Zum 01.01.1994 fiel die Grundsteuervergünstigung nach dem zweiten Wohnungsbaugesetz weg. Der Beklagte führte daraufhin mit Bescheid vom 19.08.1993 eine Wertfortschreibung auf den 01.01.1994 durch. Der Einheitswert für das Grundstück wurde auf 64.600 DM festgestellt. Eine Änderung der Grundstücksart erfolgte nicht.

Im Jahre 1999 informierte der Veranlagungsbezirk des Beklagten die Bewertungsstelle darüber, dass der Kläger im Jahre 1991 das Dachgeschoss des Grundstücks ausgebaut und die Einliegerwohnung dorthin verlegt hatte. Die Hauptwohnung erstreckt sich seitdem über das Erdgeschoss und das gesamte Obergeschoss. Im Rahmen einer Ortsbesichtigung stellte die Bewertungsstelle des Beklagten fest, dass die Einliegerwohnung im Dachgeschoss abgeschlossen ist und alle erforderlichen Einrichtungen enthält, die Hauptwohnung jedoch nicht abgeschlossen ist, da der Wohnbereich der Hauptwohnung (Treppenhaus) genutzt werden muss, um die Dachgeschosswohnung zu erreichen. Die Raumaufteilung ist den Grundrissplänen des Hauses zu entnehmen, auf die Bezug genommen wird (s. Bewertungsakte des Beklagten).

Der Beklagte führte daraufhin eine Wert- und Artfortschreibung auf den 01.01.1992 durch. Mit Einheitswertbescheid vom 08.07.1999 stellte er den Einheitswert auf 101.700 DM fest und führte eine Artfortschreibung zum Einfamilienhaus durch. In den Erläuterungen des Einheitswertbescheides wies der Beklagte darauf hin, dass der Einheitswertbescheid nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen sei. Die steuerliche Wirkung trete deshalb erst auf den 01.01.1995 ein (§ 21 Abs. 3 Bewertungsgesetz - BewG -). Sei im Zeitpunkt des Ergehens des Einheitswertbescheides die Feststellungs-/Festsetzungsfrist eines Folgebescheides noch nicht abgelaufen, sei die Einheitswertfeststellung diesem Folgebescheid zugrunde zulegen, auch wenn er einen Zeitpunkt vor dem 01.01.1995 betreffe (§ 181 Abs. 5 Abgabenordung - AO-). Auf den 01.01.1994 erließ der Beklagte einen berichtigten Wertfortschreibungsbescheid, der als Einheitswert 72.300 DM auswies und als Grundstücksart Einfamilienhaus.

Im Jahre 2000 veräußerte der Kläger das zu bewertende Grundstück an die Beigeladenen.

Gegen den Wert- und Artfortschreibungsbescheid auf den 01.01.1992 vom 08.0...

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