Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Prozesszinsen bei unwirksamer Steuerfestsetzung – Aufhebung wegen Bekanntgabemangel

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach § 236 Abs. 1 Satz 1 AO besteht auch ein Anspruch auf Prozesszinsen, wenn durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung eine mangels Bekanntgabe unwirksame Steuerfestsetzung aufgehoben wird.

 

Normenkette

AO § 122 Abs. 1, §§ 124, 155 Abs. 1 S. 2, § 236 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.05.2013; Aktenzeichen II R 20/11)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Festsetzung von Prozesszinsen aufgrund eines vorangegangenen gerichtlichen Verfahrens, dem folgender Sachverhalt zu Grunde lag:

Die Mutter der Klägerin übertrug der Klägerin am 11.01.2003 unentgeltlich Grundbesitz. Der beurkundende Notar zeigte den Erwerb dem Beklagten am 24.01.2003 an.

Am ......2003 starb die Mutter der Klägerin und wurde von der Klägerin allein beerbt. Die Erbschaftsteuererklärung der Klägerin ging am 06.10.2003 beim Beklagten ein.

Der Beklagte nahm die Klägerin für die Schenkung der Mutter mit Schenkungsteuerbescheid vom 12.11.2007 auf 2.352 EUR Schenkungsteuer und mit Erbschaftsteuerbescheid vom 12.11.2007 für ihren Erwerb von Todes wegen nach ihrer Mutter auf 227.225 EUR Erbschaftsteuer in Anspruch.

Der Beklagte verfügte die Zustellung der Bescheide mit „PZU” und übergab sie am 12.11.2007 zur Zustellung der A, die dem Beklagten auch mit Zustellurkunde vom 13.11.2007 deren Zustellung am 13.11.2007 um 7 Uhr 20 durch Einlegen in den zur Wohnung der Klägerin gehörenden Briefkasten bescheinigte.

Nachdem die Steuerberaterin der Klägerin dem Beklagten am 10.01.2008 mitgeteilt hatte, die Klägerin habe zwar am 08.01.2008 zwei Mahnungen, aber keinen Bescheid erhalten, übersandte der Beklagte der Klägerin am 18.01.2008 Kopien der Zustellungsurkunde und der Bescheide. Die daraufhin am 07.02.2008 eingelegten Einsprüche verwarf der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 14.04.2008 als unzulässig.

Dagegen erhob die Klägerin Klage. Während des Klageverfahrens setzte der Beklagte die Erbschaftsteuer mit Bescheid vom 09.10.2008 auf 239.746 EUR herauf. Nach Beweisaufnahme durch Ortsbesichtigung, Einvernahme von Zeugen und Beiziehung eines gegen die Zustellerin der A ergangenen Strafurteils wegen Sachbeschädigung und versuchten Betrugs durch Vernichtung förmlicher Zustellungen hob das Finanzgericht mit Urteil vom 16.12.2009, 4 K 1617/08 Erb, den Schenkungsteuerbescheid vom 12.11.2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.04.2008 und den Erbschaftsteuerbescheid vom 09.10.2008 auf, da die Steuern nicht innerhalb der zum 31.12.2007 ablaufenden Festsetzungsfrist festgesetzt worden seien. Die Beweisaufnahme habe nämlich ergeben, dass die in der dem Beklagten übersandten Zustellungsurkunde beurkundete Ersatzzustellung tatsächlich nicht stattgefunden habe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Urteil vom 16.12.2009 verwiesen.

Die Klägerin hatte die Schenkungsteuer und 227.225 EUR Erbschaftsteuer gezahlt, bevor sie die Klage im Verfahren 4 K 1617/08 Erb erhob. Die mit Bescheid vom 09.10.2008 darüber hinaus für den Erwerb von der Mutter festgesetzte Erbschaftsteuer von 12.521 EUR zahlte die Klägerin am 28.10.2008. Nach Rechtskraft des Urteils vom 16.12.2009 im Verfahren 4 K 1617/08 Erb erstattete der Beklagte die gezahlte Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie entstandene Säumniszuschläge.

Den Antrag auf Erstattung der Prozesszinsen vom 09.04.2010 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 13.04.2010 ab, da weder die Schenkungsteuer noch die Erbschaftsteuer in den vom Finanzgericht aufgehobenen Bescheiden wirksam festgesetzt worden sei. Der Steueranspruch sei daher erloschen. Die 2008 geleisteten Zahlungen seien auf eine nicht mehr existente Schuld erfolgt. Der damit entstehende Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) löse keine Prozesszinsen aus.

Den fristgerecht eingelegten Einspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 06.12.2010 als unbegründet zurück, da zwar eine gerichtliche Entscheidung vorliege, aber eine festgesetzte Steuer fehle. Insoweit sei es unerheblich, dass erst im Klageverfahren aufgrund der Vernehmung der Zustellerin die unterbliebene Bekanntgabe der angefochtenen Bescheide möglich erschienen sei. Diese Rechtsauffassung bestätige auch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG Münster) vom 02.04.1990, 22 A 1488/88.

Im Streitfall fehle es an einer gesetzlichen Regelung für einen Zinsanspruch nach der AO.

Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt dazu vor, für den geltend gemachten Zinsanspruch sei es unerheblich, aus welchem Grund es zu einer Herabsetzung oder Beseitigung der Abgabenschuld gekommen sei, wenn nur die Gerichtsentscheidung für die Herabsetzung ursächlich gewesen sei. Hier habe das Finanzgericht die Bescheide auch ausdrücklich aufgehoben, zumal sich der Beklagte dieses Steueranspruchs berühmt habe und vorläufiger Rechtsschutz bis zur Beweisauf...

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