Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der behördlichen Verschwiegenheitspflicht nach Außenprüfungen bei Angehörigen der steuerberatenden Berufe

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Betriebsprüfungen bei zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Steuerpflichtigen können auch nach Aufhebung des im AO-Anwendungserlass und in der BpO geregelten generellen Verzichts der Finanzverwaltung auf Kontrollmitteilungen bei diesen Personen durchgeführt werden.
  2. Die Finanzverwaltung ist in jedem Einzelfall gehalten, das Auskunftsverweigerungs-recht des § 102 FGO zu wahren und in die Ermessenserwägungen bei der Erstellung von Kontrollmitteilungen einzubeziehen.
  3. Der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch darauf, die Finanzbehörde im Vorfeld einer Prüfung zu einem generellen Verzicht auf Kontrollmitteilungen zu verpflichten.
 

Normenkette

AO §§ 102, 193 Abs. 1; AEAO v. 24.9.1987 § 194 Nr. 4 S. 2; BpO § 8 Abs. 1 S. 2

 

Streitjahr(e)

1998, 1999

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 24.04.2007; Aktenzeichen I R 12/06)

 

Tatbestand

Am 22.5.2002 ordnete der Beklagte gem. § 193 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) beim Geschäftsführer der Klägerin eine steuerliche Betriebsprüfung wegen Einkommen- und Umsatzsteuer 1998 bis 1999 an. Am selben Tag ordnete der Beklagte eine steuerliche Betriebsprüfung bei der Klägerin wegen Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer jeweils für die Veranlagungszeiträume 1998 bis 2000 an. Den Anordnungen lag ein Auftrag des Finanzamts Z vom 5.9.2001 zugrunde.

Der Klägerin legte gegen die Anordnung im Hinblick auf die berufliche Verschwiegenheitspflicht und das sich daraus ableitende Auskunftsverweigerungsrecht Einspruch ein. Sie bat um eine schriftliche, verbindliche Bestätigung seitens der Betriebsprüfung, dass diese keine Kopien und Kontrollmitteilungen fertigen werde. Solange eine solche Zusage nicht vorliege, halte sie die Durchführung der Betriebsprüfung für unzulässig.

Der Beklagte entschied im Tenor der Einspruchsentscheidungen vom 2.10.2003:

„In Ergänzung der Prüfungsanordnung vom 22.5.2002 wird zur Begründung der Prüfungsanordnung angeführt, dass hierdurch Reibungen zwischen dem an sich zuständigen Finanzamt Z und den Mitgliedern der Steuerberatungspraxis bei der Vertretung von Steuerpflichtigen vermieden werden sollen.”

Im übrigen wies er den Einspruch als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat am 23.10.2003 Klage erhoben mit der sie vorträgt:

Im Geltungsbereich des Einführungserlasses zur Abgabenordnung (AO) vom 24.9.1987 sei zu § 194 AO unter Ziffer 4 eine Selbstverpflichtung der Finanzverwaltung geregelt gewesen, wonach die Ausfertigung von Kontrollmitteilungen zu unterbleiben habe, um dem Auskunftsverweigerungsrecht des Steuerpflichtigen genüge zu tun. Das Finanzgericht Münster habe in einer Entscheidung vom 13.4.2002 unter Hinweis auf diese Selbstbeschränkung der Verwaltung entschieden, dass der Berufsgeheimnisträger die Durchführung der Betriebsprüfung dulden müsse. Im neuen Einführungserlass und der Betriebsprüfungsordnung sei die Selbstbindung ersatzlos gestrichen worden. Danach stünde es im Ermessen des Betriebsprüfers, ob er Kontrollmitteilungen fertige oder nicht. Dies sei mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) zum Umfang des Auskunftsverweigerungsrechts des Steuerberaters nicht zu vereinbaren.

Die Klägerin beantragt,

die Prüfungsanordnung vom 22.5.2002 aufzuheben,

hilfsweise,

die Finanzverwaltung zu verpflichten, die Betriebsprüfung unter Beachtung der beruflichen Verschwiegenheitspflicht der Klägerin durchzuführen,

weiter hilfsweise,

die Revision zuzulassen

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor:

Die Selbstbindung aus § 8 Abs. 1 S. 2 BpO 1987, wonach bei Steuerpflichtigen, denen ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 102 AO zustehe, keine Kontrollmitteilungen zu fertigen seien, sei aufgegeben worden. Nunmehr sei es in den Grenzen, in denen es anlässlich der Betriebsprüfung anderer Steuerpflichtiger zulässig sei, Kontrollmitteilungen zu fertigen, auch bei den Auskunftsverweigerungsberechtigten möglich. Die Klägerin werde hier nicht als Dritte um Auskunft ersucht, sondern wie jeder andere Stpfl. einer Betriebsprüfung unterzogen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist sowohl im Hauptantrag als auch im Hilfsantrag unbegründet.

Die Anordnung der Betriebsprüfung vom 22.5.2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

Die Voraussetzungen des § 193 Abs. 1 AO, wonach bei der Klägerin grundsätzlich eine Betriebsprüfung angeordnet werden kann, liegen vor. Der Anordnung steht nicht entgegen, dass der Geschäftsführer und die Angestellten der Klägerin im Verhältnis zu ihren Mandanten zu einer besonderen Berufsverschwiegenheit verpflichtet sind und ihnen ein Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 102 AO zusteht.

Dass Betriebsprüfungen auch bei zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Steuerpflichtigen durchgeführt werden können, entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH; vgl. BFH-Beschluss vom 27. November 1996 IV B 5...

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