Übersendung von Kontrollmaterial über Mandanten anlässlich einer Betriebsprüfung
Die Antragstellerin beauftragte den Rechtsanwalt R mit der Wahrnehmung ihrer Interessen gegenüber der B-GmbH. Aufgrund mehrerer anwaltlicher Schriftsätze gingen Forderungen der Antragstellerin gegenüber der B-GmbH auf dem Fremdgeldkonto des R ein. Nach Verrechnung mit offenen Gebührenforderungen zahlte R die restlichen Gelder an die Antragstellerin aus.
Die Antragstellerin gab weder Umsatzsteuererklärungen noch Jahresabschlüsse beim Finanzamt – dem Antragsgegner – ab. In der Folge gingen dem Antragsgegner zwei Kontrollmitteilungen des Finanzamts E mit der Steuernummer des R zu, denen Unterlagen über den Schriftverkehr mit der B-GmbH beigefügt waren. Die Kontrollmitteilungen enthielten den Vermerk "erhalten von Anwaltsbüro R". Dies nahm der Antragsteller zum Anlass, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen und Umsatzsteuer gegen die Antragstellerin festzusetzen.
Kontrollmitteilungen des Finanzamts
Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein und machte insbesondere geltend, es bestehe ein Beweisverwertungsverbot, da die Steuerbehörde in der Kanzlei des R eine Prüfung des Fremdgeldkontos vorgenommen und dieses trotz der Verschwiegenheitspflicht des R zur Grundlage der Umsatzsteuerfestsetzung gemacht habe. Nach der erfolglosen Durchführung des Einspruchsverfahrens hat die Antragstellerin Klage erhoben und Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO beantragt.
Ernstliche Zweifel an der Befugnis zur Auswertung des Kontrollmaterials
Das FG hat entschieden, dass ernstliche Zweifel daran bestehen, dass der Antragsgegner befugt war, aufgrund der Auswertung des ihm vom Betriebsprüfer übersandten Kontrollmaterials die angefochtene Umsatzsteuerfestsetzung zu erlassen. Es erscheine ernstlich zweifelhaft, dass die Übersendung der Kontrollmitteilungen an den Antragsgegner verfahrensrechtlich zulässig gewesen sei und dass ohne dieses Kontrollmaterial und dessen Fernwirkungen Anlass bestanden habe, die streitbefangene Festsetzung vorzunehmen.
Rechtsfehlerhaft erscheine noch nicht die Tatsache, dass R einer Außenprüfung unterzogen worden sei und dabei auch die Belege zu Fremdgeldkonten gesichtet worden seien. Vorlageverweigerungsrechte aus § 104 Abs. 1 AO bestünden zwar auch in der beim Berufsgeheimnisträger (Rechtsanwalt, Steuerberater usw.) selbst stattfindenden Außenprüfung, jedoch könne das Finanzamt grundsätzlich die Vorlage der zur Prüfung erforderlich erscheinenden Unterlagen in neutralisierter Form verlangen. Wenn der Berufsträger gleichwohl Unterlagen, in deren Besitz er im Rahmen der Mandatsbearbeitung gelangt sei bzw. die in diesem Rahmen entstanden seien, in nicht neutralisierter Form überlasse und die Betriebsprüfung anschließend ankündigungslos diesbezügliche Kontrollmitteilungen versende, dürfen diese nicht verwertet werden.
Rechtsschutz im Rahmen einer Betriebsprüfung
Das FG hat sich bei seiner Entscheidung auch von der Überlegung leiten lassen, dass der Umstand, dass die Betriebsprüfung Rechtsanwalt R nicht über die beabsichtigten Kontrollmitteilungen informiert habe, kein bloßer verfahrensrechtlicher Fehler sei. Denn ausgehend von der Rechtsprechung des BFH habe die Betriebsprüfung damit R die Möglichkeit genommen, sich effektiv um Rechtsschutz gegen dieses Vorgehen zu bemühen und dabei die höchstrichterlich nicht entschiedene Frage klären zu lassen, ob und ggf. unter welchen Umständen Kontrollmitteilungen über Verhältnisse, die sich aus dem Grunde nach aus § 104 Abs. 1 AO geschützten Unterlagen ergeben würden, versandt werden dürften. Das FG hat gegen den Beschluss die Beschwerde zum BFH zugelassen. Es bleibt nun abzuwarten, ob die Sache weitergeht und wie ggf. der BFH entscheidet.
FG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 04.04.2022 - 7 V 7031/22
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