Wechsel der Gewinnermittlungsart nach Betriebsprüfung

Ist es auch nach Bestandskraft der Ursprungsveranlagung möglich, im Rahmen der gegen die Änderungsbescheide gerichteten Einsprüche das Wahlrecht hinsichtlich der Gewinnermittlungsart neu auszuüben, um Mehrergebnisse aus einer Betriebsprüfung zu glätten?

Mit dieser Frage hat sich das FG Thüringen beschäftigt. Im Streitfall war der Kläger war nicht gesetzlich buchsführungspflichtig, ermittelte aber seit 2012 seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Die Steuererklärungen 2016 des Klägers erfolgten antragsgemäß und ohne Vorbehalt der Nachprüfung. Später führte das Finanzamt aber eine Außenprüfung durch und erhöhte den Gewinn nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (neue Tatsachen).

Im Rahmen seiner hiergegen gerichteten Einsprüche beantragte der Kläger nunmehr den Wechsel der Gewinnermittlungsart zur Einnahmen-Überschussrechnung. Es sei zwar zutreffend, dass er bereits in vorangegangenen Jahren sein Wahlrecht zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ausgeübt habe. Da er jedoch gesetzlich nicht zur Buchführung verpflichtet sei und ihm durch die Feststellungen der Betriebsprüfung erhebliche Nachteile entstanden seien, könne er nun sein Wahlrecht dahingehend ausüben, den Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung zu ermitteln.

Grundsätze der Wahlrechtsausübung

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG müssen Gewerbetreibende, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln.

Trifft sie eine solche Verpflichtung nicht und führen sie keine Bücher und machen sie keine Abschlüsse, können sie nach § 4 Abs. 3 EStG als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen. Grundsätzlich hat ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger ein - prinzipiell unbefristetes - Wahlrecht zwischen den Gewinnermittlungsarten, das formal allein durch die Bestandskraft der Steuerfestsetzung bzw. Feststellung begrenzt ist.

Finanzamt argumentiert mit Eintritt der Bestandskraft

Das beklagte Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Veranlagung antragsgemäß und nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgt sei. Mit Eintritt der Bestandskraft der Bescheide für 2016 könne der Kläger keine andere Gewinnermittlungsart mehr wählen.

FG Thüringen lässt Wahlrechtsausübung ausnahmsweise zu

Dies hat das FG Thüringen anders gesehen (Urteil v. 31.8.2022, 4 K 599/21).

Während einer Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung kann ein Steuerpflichtiger Wahlrechte, die an keine Frist gebunden sind, noch ausüben und auch eine bereits ausgeübte Wahl noch ändern. Dies bedeute allerdings nicht, dass der Steuerpflichtige die Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten solange treffen darf, wie sich ihr Ergebnis steuerlich auswirken kann. Sei das Wahlrecht bereits wirksam ausgeübt worden, so ist diese Wahl der Gewinnermittlungsart nachträglich nicht mehr abzuändern.

So hat der BFH u .a. entschieden (Urteil v. 9.12.2015, X R 56/13), dass nach bestandskräftiger Veranlagung, im Rahmen derer ein Steuerpflichtiger ein Wahlrecht ausgeübt hat, er an das einmal ausgeübte Wahlrecht gebunden ist. Dieses lebt auch nicht dadurch wieder auf, dass beispielsweise ein bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO infolge des Erlasses eines Grundlagenbescheides geändert wird.

Im Rahmen des § 7g EStG hat es der BFH zugelassen (Urteil v. 28.4.2016, I R 31/15), dass ein Steuerpflichtiger sein Wahlrecht nachträglich - d. h. nach Abgabe der betreffenden Steuererklärung und Festsetzung der Steuer im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen einen geänderten Steuerbescheid, zur Kompensation eines durch die Betriebsprüfung veranlassten Mehrergebnisses - geltend machen kann.

FG argumentiert mit Rechtsgedanken des § 177 AO

Da der Beklagte im Streitfall die angefochtenen Bescheide aufgrund der Feststellungen der Außenprüfung trotz eingetretener formeller Bestandskraft nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu Lasten des Klägers geändert und damit zulässigerweise insoweit die formelle Bestandskraft der Steuerfestsetzungen durchbrochen hat, muss es dem Kläger nach Auffassung des FG auch rechtlich möglich sein, nach dem Rechtsgedanken des § 177 AO im gleichen Umfang die Mehrergebnisse aus einer Betriebsprüfung durch Änderung des Gewinnermittlungswahlrechts zu glätten.

Die Rechtsprechung des BFH berücksichtige nämlich im Ergebnis nicht hinreichend den Umstand, dass im Streitfall der Kläger überhaupt keinen Anlass hatte, den Eintritt der Bestandskraft durch Einlegung eines Einspruchs zu verhindern, um sich ggf. die Wahl der Gewinnermittlungsmethode offen zu halten, weil er seinerzeit nicht mit der Durchführung einer Außenprüfung in seinem Unternehmen rechnete, zumal es dem Kläger mit dem Wechsel der Gewinnermittlungsart lediglich um die Glättung der Mehrergebnisse geht.

Im Vergleich zu den Steuerpflichtigen, bei denen das Finanzamt im Hinblick auf die Durchführung einer Außenprüfung die Steuerfestsetzungen regelmäßig unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlässt und die folglich regelmäßig Wahlrechte zur Glättung von Betriebsprüfungs-Mehrergebnissen noch ausüben könnten bzw. auch eine bereits ausgeübte Wahl noch ändern könnten, werde der Kläger im Ergebnis gleichheitswidrig verfahrensrechtlich schlechter gestellt. Daher müsse hier eine Ausnahme gemacht werden.

Revisionsverfahren beim BFH anhängig

Aufgrund der Abweichungen zur BFH-Rechtsprechung hat das FG die Revision zugelassen, welche unter dem Az. X R 1/23 auch eingelegt wurde.