Entscheidungsstichwort (Thema)

Häusliches Arbeitszimmer einer Außendienstmitarbeiterin – Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Der qualitative Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit einer nichtselbständig für einen Pumpenhersteller tätigen Diplom-Bauingenieurin, die als Außendienstmitarbeiterin und Betreuerin eines Verkaufsgebiets zwar auch Beratungsgespräche bei den Kunden vor Ort durchführt, aber zwei Drittel der Arbeitszeit der am häuslichen Arbeitsplatz ausgeübten ingenieurmäßigen Projektplanung und der Begleitung von Ausschreibungen widmet, liegt im häuslichen Arbeitszimmer.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 3, § 9 Abs. 5 S. 1

 

Streitjahr(e)

2008

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der abzugsfähigen Arbeitszimmeraufwendungen.

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2008 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielt Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als freier Journalist. Die Klägerin ist als Diplom-Bauingenieurin nichtselbständig für die Firma A. GmbH, A-Stadt, tätig. Sie betreut als Außendienstmitarbeiterin ein Verkaufsgebiet mit den Schwerpunkten B-Stadt, C-Stadt, D-Stadt, E-Stadt, F-Stadt und G-Stadt.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger Aufwendungen für das Arbeitszimmer der Klägerin i. H. v. 1.722 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte ließ die Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid vom 27. März 2009 unter Hinweis darauf, dass das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit der Klägerin im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b des EinkommensteuergesetzesEStG – in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 – StÄndG 2007 – (BGBl I 2007, 1652) in Verbindung mit § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG darstelle, nicht zum Abzug zu.

Dagegen legten die Kläger fristgerecht Einspruch ein und trugen vor, der beruflich genutzte Raum stelle schon kein häusliches Arbeitszimmer dar. Es handele sich um eine Betriebsstätte der Firma A. GmbH im Sinne des § 12 Satz 1 und 2 Nr. 3 der AbgabenordnungAO –. Jedenfalls sei der Raum aber als der quantitative und qualitative Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit der Klägerin anzusehen, da sie als Außendienstmitarbeiterin bei der Firma A. mit Sitz in dem vom Wohnort über 200 km entfernt liegenden A-Stadt keinen Arbeitsplatz zur Verfügung habe. Letztlich bestünden auch Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Abzugsbeschränkung. Zum Nachweis reichten die Kläger Bescheinigungen der Firma A. GmbH über die Art der Tätigkeit der Klägerin, den Arbeitsvertrag, eine Kopie der Visitenkarte, Fotoaufnahmen von dem Objekt in H-Stadt sowie Reisekostenabrechnungen für das Jahr 2008 ein. Ergänzend verwiesen sie auf die einschlägige Rechtsprechung (Vorlage des Finanzgerichts – FG – Münster an das Bundesverfassungsgericht – BVerfG – vom 8. Mai 2009 1 K 2872/08, DStR 2009, 1024; Beschluss des Niedersächsischen FG vom 2. Juni 2009 7 V 76/09, ZSteu 2009, R523; Urteil des FG Köln vom 10. Dezember 2008 7 K 97/07, EFG 2009, 649; Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 26. März 2009 VI R 15/07, DStR 2009, 1030).

Mit Änderungsbescheid vom 5. Juni 2009 erklärte der Beklagte die Festsetzung für das Jahr 2008 im Hinblick auf die Anwendung der Neuregelung zur Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b in Verbindung mit § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG) für vorläufig. Mit Schreiben vom 24. Juni 2009 legten die Kläger Einspruch gegen den Änderungsbescheid ein und wandten sich gegen die Aufnahme der Vorläufigkeitsvermerke.

Mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2009 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die Arbeitszimmerkosten könnten im Hinblick auf die Abzugsbeschränkung gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b in Verbindung mit § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG nicht abgezogen werden, da der qualitative Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit der Klägerin außerhalb des beruflich genutzten Raumes liege. Es handele sich um ein häusliches Arbeitszimmer. Bei Außendienstmitarbeitern liege der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit außerhalb des Arbeitszimmers (BFH-Urteil vom 13. November 2002 VI R 82/01, BFHE 201, 93, BStBl II 2004, 62). Prägend sei die Außendiensttätigkeit, nicht die Bürotätigkeit. Die im Arbeitszimmer vorzunehmenden Verrichtungen hätten im Wesentlichen den Charakter von Vor- und Nachbereitungshandlungen, die nicht zu einer inhaltlichen Prägung der Arbeiten führten. Dem stünden die Unvermeidbarkeit von Büroarbeit im häuslichen Arbeitszimmer sowie die Zurverfügungstellung der technischen Ausstattung durch den Arbeitgeber der Klägerin nicht entgegen. Soweit die Kläger die Verfassungswidrigkeit der Abzugsbeschränkung rügten, werde ihrem Rechtsschutzbegehren durch den Vorläufigkeitsvermerk Rechnung getragen.

Die Kläger haben am 17. Juli 2009 Klage erhoben, mit der sie den unbegrenzten Abzug der Arbeitszimmeraufwendungen verfolgen. Zur Begründung tragen sie zunächst vor, der ...

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