rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein einseitiger Widerruf der Übertragung des Behinderten-Pauschbetrages für ein gemeinsames Kind auf den anderen Elternteil. Einkommensteuer 2000

 

Leitsatz (redaktionell)

Haben beide Elternteile das Wahlrecht, den Behinderten-Pauschbetrag für ihr gemeinsames Kind nicht je zur Hälfte, sondern in voller Höhe nur bei einem Elternteil zu berücksichtigen, durch einen gemeinsamen Antrag ausgeübt, so kommt, nachdem die Steuerfestsetzungen unanfechtbar geworden sind, ein einseitiger Widerruf, das heißt eine einseitige Neuausübung des Wahlrechts durch nur einen Elternteil, wegen der zwingenden gesetzlichen Regelung in § 33 b Abs. 5 Satz 3 EStG nicht mehr in Betracht.

 

Normenkette

EStG 1997 § 33b Abs. 3 S. 3, Abs. 5 S. 3

 

Tenor

1. Der Änderungsbescheid für 2000 über Einkommensteuer vom 1. Februar 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2003 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie ist die Mutter der 16jährigen S., die im Streitjahr mit einem Wohnsitz bei ihr gemeldet war. Die Ehe, aus der S. hervorging, ist seit dem 3. März 1994 geschieden. Ausweislich des Schwerbehindertenausweises beträgt der Grad von S. Behinderung 100 v.H.

In ihrer Einkommensteuer-Erklärung für das Streitjahr machte die Klägerin für S. den vollen Behindertenfreibetrag geltend. Ihr geschiedener Ehemann hatte den ihm zustehenden Anteil an diesem Freibetrag auf die Klägerin übertragen. Dementsprechend berücksichtigte der Beklagte bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr den vollen Behindertenfreibetrag in Höhe von 7.200 DM und erließ am 4. April 2001 einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid.

Nachdem der geschiedene Ehemann der Klägerin gegenüber dem Beklagten seine Erklärung zur Übertragung des halben Behindertenfreibetrags auf die Klägerin am 7. Dezember 2001 widerrufen hatte, änderte der Beklagte den gegenüber der Klägerin erlassenen Einkommensteuerbescheid dahingehend, dass bei ihr nur noch der halbe Behindertenfreibetrag angesetzt wurde. Der geänderte Steuerbescheid erging am 1. Februar 2002. Hiergegen legte die Klägerin am 15. Februar 2002 Einspruch ein, den der; Beklagte mit seiner Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2003 als unbegründet zurückwies.

Dagegen richtet sich die vorliegende, am 20. März 2003 erhobene Klage.

Zu deren Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, der Änderungsbescheid sei rechtswidrig, da keine Rechtsgrundlage für die Durchbrechung der Bestandskraft des Ursprungsbescheids gegeben sei. Sie ist der Auffassung, der Beklagte habe diesen bestandskräftigen Bescheid nicht auf den Widerruf ihres geschiedenen Ehegatten hin ändern dürfen.

Sie beantragt,

den Änderungsbescheid für 2000 über Einkommensteuer vom 1. Februar 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2003 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Er begründet seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass der Behinderten-Pauschbetrag gemäß § 33 b Abs. 5 EStG grundsätzlich auf beide Eltern je zur Hälfte aufzuteilen sei. Auf gemeinsamen Antrag der Eltern sei auch eine andere Aufteilung möglich. Da § 33 b Abs. 5 EStG keine Antragsfrist vorsehe, könne der Antrag und demgemäß auch der Widerruf jederzeit innerhalb der Festsetzungsfrist erfolgen. Ein nach Bestandskraft vorgenommener Widerruf bilde ein rückwirkendes Ereignis, das eine Änderung des Ausgangsbescheides nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO rechtfertige.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter gemäß § 79 a Abs. 3 und Abs. 4 FGO einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die beigezogenen Behördenakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung ergeht gemäß § 79 a Abs. 3 und Abs. 4 FGO durch den Berichterstatter, nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis damit erklärt haben.

1. Die als Anfechtungsklage (§§ 40 Abs. 1 1. Alt. FGO) zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Denn der Beklagte hat den ursprünglichen Bescheid zu Unrecht geändert und nur den hälftigen Behindertenfreibetrag im Änderungsbescheid berücksichtigt.

Sind Steuerbescheide in (formelle) Bestandskraft erwachsen, weil sie nach Ablauf der Einspruchsfrist (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO) unanfechtbar geworden sind, so dürfen sie – innerhalb der Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO) – nur noch geändert werden, wenn die Voraussetzungen einer der Änderungsvorschriften der §§ 172 ff...

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