Entscheidungsstichwort (Thema)

Säumniszuschläge. Abrechnungsverfahren. Aussetzungsverfahren. Schätzung. Aktenvergleich. Säumniszuschlägen zur Einkommensteuer 1996

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Abrechnungsverfahren über die Entstehung und Höhe von Säumniszuschlägen ist auch zu prüfen, ob die bereits entstandenen Säumniszuschläge im Aussetzungsverfahren gegen den Schätzungsbescheid aufzuheben gewesen wären, weil erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestanden haben.

2. Die freie, griffweise Schätzung des Umsatzes und Gewinns ist unzulässig, wenn sich aus den Akten die entsprechenden, erklärten und veranlagten Daten der Vorjahre und die Umsatzsteuervoranmeldungen des Schätzungsjahres ergeben. .

 

Normenkette

AO § 162 Abs. 1, § 240 Abs. 1, § 218

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.04.2006; Aktenzeichen VII R 77/04)

 

Tenor

Unter Änderung des Bescheides vom 30. September 1999 in Form der Einspruchsentscheidung vom 14. April 2003 werden die Säumniszuschläge in der Höhe festgesetzt, wie sie sich bei Durchführung einer ordnungsgemäßen Schätzung ergeben. Dem Beklagten wird aufgegeben diesen Betrag unter Beachtung der Ausführungen unter Nr. 3 der Entscheidungsgründe (S. 9 ff.) zu berechnen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, sofern nicht der Kläger Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger erzielt als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Er ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Nachdem der Kläger für 1996 keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatte, schätzte der Beklagte diese Einkünfte auf 227.221 DM und setzte die Einkommensteuer 1996 durch Bescheid vom 7. September 1998 dementsprechend auf 95.931 DM nebst Zinsen und Verspätungszuschlag fest. Der Nachforderungsbetrag i.H.v. 90.059 DM war zum 12. Oktober 1998 fällig (ESt 1996).

Zu den Grundlagen der Schätzung ist in der Einkommensteuerakte auf der Rückseite des Aktentrennblattes für den Veranlagungszeitraum 1996 Folgendes dokumentiert:

㤠18 BE 301.759

USt 45.263 VSt 3.502

Gewinn 227.221

14.08.1998”

Den Steuerakten des Klägers waren zum Zeitpunkt der Schätzung u.a. folgende Daten zu entnehmen:

Jahr

Summe der USt.-

Betr.einn.

Betr.ausg.

Gewinn

Voranmeldungen

lt. Erkl.

lt. Erkl.

lt. Erkl.

1990

174.017

201.114

137.762

55.524

1991

170.160

196.549

120.934

65.019

1992

167.267

193.814

119.911

62.708

1993

140.923

166.965

120.877

41.538

1994

174.889

212.060

129.518

78.594

1995

216.866

255.726

140.674

114.560

1996

207.279

Die Differenz zwischen den vorangemeldeten Umsätzen und den erklärten Betriebseinnahmen beruhte im Wesentlichen darauf, dass letztere auch die Umsatzsteuer und die Privatanteile enthielten.

Am 7. Oktober 1998 hat der Kläger gegen den Bescheid vom 7. September 1998 Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt. Die Einkommensteuererklärung 1996 sollte als Begründung nachgereicht werden. Zugleich wies der Kläger darauf hin, dass die Schätzung nicht realitätsgerecht sei. Am 12. November 1998 hat der Beklagte die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt, da bis zu diesem Zeitpunkt die Einkommensteuererklärung noch nicht eingegangen war. Am 26. November 1998 hat der Kläger die Erklärung beim Beklagten eingereicht. Am 7. Januar 1999 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid, der auf der Grundlage der erklärten Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.H.v. 79.336 DM (Betriebseinnahmen: 241.245 DM; Betriebsausgaben: 160.651 DM) die Einkommensteuer 1996 auf 17.258 DM festsetzte (ESt. 96).

Am 15. Dezember 1998 hat der Kläger gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung Einspruch eingelegt. Durch die zwischenzeitliche Bearbeitung und Einbuchung der erklärten Einkommensteuer 1996 betrachtete der Beklagte den Einspruch gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung als erledigt. Der Beklagte war der Auffassung, die Voraussetzungen für die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung seien durch die Abgabe der Einkommensteuererklärung 1996 am 26. November 1998 als ab diesem Zeitpunkt gegeben anzusehen (ESt 96).

Der Beklagte berechnete in den Kontoauszügen des Klägers unter dem 13. Oktober 1998 maschinelle Säumniszuschläge i.H.v. zwei Mal 900 DM. Am 16. September 1999 stellte der Kläger den Antrag auf Aufhebung der Säumniszuschläge zur Einkommensteuer 1996 i.H.v. 1.800,– DM (Oktober und November 1998: 2 × 900,– DM). Der Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 30. September 1999 ab. Den dagegen gerichteten Einspruch vom 8. November 1999 hat der Beklagte durch Entscheidung vom 14. April 2003 als unbegründet zurückgewiesen (RbH).

Am Montag, den 19. Mai 2003, erhob der Kläger Klage. Er beantragt,

unter Änderung des Bescheides vom 30. September 1999 in Form der Einspruchsentscheidung vom 14. April 2003 die Säumniszuschläge in der Höhe festzusetzen, wie sie sich bei Durchführung einer ordnungsgemäßen Schätzung ergeben.

Der ursprüngliche Einkommenste...

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