Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung der Klagefrist bei Einlegung in ein Postfach. Einkommensteuer 1995

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Zugang der Einspruchsentscheidung ist gegeben, wenn diese innerhalb der Dreitagesfrist des § 122 Abs. 2 AO in ein Postfach des Empfängers einsortiert worden ist und dieses zu diesem Zeitpunkt normalerweise auch noch geleert werden kann. Dementsprechend gilt eine am 4. eines Monats zur Post gegebene Einspruchsentscheidung als am 7. des Monats bekannt gegeben. Insoweit ist bei Leerung des Postfachs durch den Empfänger am 4. des Monats bis 8.00 Uhr morgens unerheblich, ob bereits zu diesem Zeitpunkt die Einspruchsentscheidung im Postfach lag, sofern in der betreffenden Filiale auch noch nach 8.00 Uhr Sendungen in die Postfächer eingelegt werden.

 

Normenkette

FGO § 47

 

Tenor

Die Klage wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

 

Tatbestand

Der Kläger war im Streitjahr 1995 als angestellter Versicherungskaufmann im Außendienst tätig.

Er machte in seiner Einkommensteuererklärung für 1995 Werbungskosten in Höhe von 14.556 DM geltend. Der Beklagte hielt diesen Aufwand für unglaubwürdig und setzte im Einkommensteuerbescheid für 1995 vom 30. August 1996 (neben Beiträgen zu Berufsverbänden und Aufwendungen für Arbeitsmittel) an Werbungskosten nur einen Betrag in Höhe von 8.802 DM an.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 11. September 1996 Einspruch ein (Rbh, Bl. 19), den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 1998 als unbegründet zurückwies.

Die Einspruchsentscheidung wurde durch den Beklagten mittels einfachen Briefes am 4. Dezember 1998 zur Post gegeben (Rbh, Bl. 38).

Am Freitag, den 8. Januar 1999, erhob der Kläger Klage. Im Verlauf des Klageverfahrens entstand Streit darüber, ob die Klage fristgerecht erhoben worden ist.

Der Kläger beantragt,

die Klage durch Zwischenurteil für zulässig zu erklären.

Er trägt im Wesentlichen vor, die Frist zur Erhebung der Klage sei bei Eingang der Klageschrift bei Gericht noch nicht abgelaufen gewesen, da er die Einspruchsentscheidung erst am 8. Dezember 1998 erhalten habe.

Soweit eine Fristversäumnis angenommen werde, sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da die Fristversäumnis dann auf dem Verhalten einer ansonsten bekannt sorgfältig arbeitenden Angestellten beruhe.

Der Beklagte beantragt (Bl. 82),

die Klage als unzulässig zu verwerfen.

Die Klage sei wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig. Die Behauptung des Klägers, der Brief sei ihm erst am 8. Dezember 1998 zugegangen, sei wenig glaubwürdig. Die Einspruchsentscheidung sei vielmehr mit dem Ablauf des dritten Tages nach Aufgabe zur Post, also dem 7. Dezember 1998, als bekannt gegeben anzusehen.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, da die entsprechende Frist zur Glaubhaftmachung verstrichen sei. Zudem sei angesichts der geschilderten Abläufe bei der Abholung der Post und der Fristenberechnung an ein Organisationsverschulden zu denken.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Sitzungsprotokoll und die beigezogenen Akten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unzulässig, da sie erst nach Ablauf der Klagefrist erhoben wurde. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kam nicht in Betracht.

1. Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage/Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

a) Gemäß § 47 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung –FGO– beträgt die Frist für die Erhebung der Verpflichtungsklage einen Monat. Die Frist beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Die Entscheidung kann auch durch die Post übermittelt werden (§ 366 Satz 2 in Verbindung mit § 122 Abs. 2 AO). Sie gilt nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn sie nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.

b) Bestreitet der Empfänger, den Verwaltungsakt innerhalb der Dreitagesfrist erhalten zu haben, so hat er substantiiert Tatsachen vorzutragen, die schlüssig auf einen späteren Zugang hindeuten und deshalb Zweifel an der Zugangsvermutung begründen. Ist diese Voraussetzung erfüllt, so hat das Finanzgericht den Sachverhalt unter Berücksichtigung des Sachvortrags des Steuerpflichtigen aufzuklären und die festgestellten und unstreitigen Umstände im Wege freier Beweiswürdigung gegeneinander abzuwägen (BFH-Urteil vom 9. Dezember 1999 III R 37/97, BFH/NV 2000, 626 mit weiteren Nachweisen).

Unter Zugang im Sinne des § 122 Abs. 2 AO wird nicht allein die tatsächliche Kenntnisnahme des Schriftstückes verstanden. Vielmehr ist dieses bereits dann zugegangen, wenn es derart in den Machtbereich des Empfängers (Inhaltsadressaten) gelangt ist, dass dieser unter Ausschluss unbefugter Dritter von dem Schriftstück Kenntnis nehmen und diese Kenntnisnahme nach den allgemeinen Gepflogenheiten auch von ihm erwartet werden kann. Diese Voraussetzungen sind regelmäßig erfüllt, wenn die Sendung entsprechend den postalischen Vorschriften zugestellt worden ist (BFH a.a.O. mi...

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