Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlass eines ergänzenden Haftungsbescheids

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat das FA einen Haftungsgegenstand durch einen bestandskräftigen Haftungsbescheid geregelt, steht dessen Bestandskraft der erneuten Regelung des gleichen Sachverhaltes durch Erlass eines ergänzenden, neben den ersten Haftungsbescheid tretenden Haftungsbescheids entgegen.

2. Hiervon unberührt bleibt die Korrektur des ersten Haftungsbescheids nach den Korrekturvorschriften der §§ 129 ff. AO.

 

Normenkette

AO § 191

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 15.02.2011; Aktenzeichen VII R 66/10)

 

Tenor

Der Haftungsbescheid vom 15. Juni 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. September 2007 wird hinsichtlich eines Haftungsbetrags von 1.138,15 EUR aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin zu 1/3 und dem Beklagten zu 2/3 auferlegt.

Der als Urteil wirkende Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage der Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids für die Lohnsteuerschulden der D Ltd. mit Sitz in E (künftig: Ltd.).

Die Klägerin war im Haftungszeitraum alleinige Geschäftsführerin der Ltd. Als solche meldete sie am 26. Juli 2005 bzw. am 26. September 2005 Lohnsteuer für das 2. Kalendervierteljahr 2005 an, ohne diese zum Fälligkeitszeitpunkt abzuführen. Für die Zeiträume 3. und 4. Kalendervierteljahr 2005 wurde keine Lohnsteuer angemeldet und abgeführt. Der Beklagte schätzte daraufhin entsprechende Beträge. Eine Lohnsteueranmeldung für das 1. Kalendervierteljahr 2006 erfolgte ebenfalls nicht.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 20. April 2006 (103 IN 12/06) wurden der Ltd. ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt und ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Am 29. Mai 2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Ltd. eröffnet.

Der Beklagte nahm die Klägerin daraufhin für die o.g. angemeldeten bzw. geschätzten Lohnsteuerbeträge 2005 mit – hier nicht in Streit stehendem – Bescheid vom 14. Juni 2006 in Haftung (Bl. 12 HA).

Im Zuge einer im Juli und August 2006 durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung stellte der Prüfer unter anderem fest, dass die laut Lohnkonten berechneten Lohnsteuerbeträge im Vergleich zu den angemeldeten bzw. geschätzten Beträgen im Kalenderjahr 2005 insgesamt 1.148,23 EUR zu gering waren (Bl. 12 LStA). Er stellte ferner anhand der Lohnkonten fest, dass der für das erste Quartal 2006 mit Bescheid vom 28. Juli 2006 (Bl. 30 HA) im Wege der Schätzung gegenüber der Ltd. festgesetzte Lohnsteuerbetrag in Höhe von 907 EUR um 385,70 EUR zu hoch war.

Mit Haftungsbescheid vom 15. Juni 2007 (Bl. 57 HA) nahm der Beklagte die Klägerin für die Lohnsteuerschulden der Ltd., soweit sie nicht bereits im Haftungsbescheid vom 14. Juni 2006 enthalten waren, in Anspruch. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Beträge:

  • • Differenz zwischen den angemeldeten bzw. geschätzten Lohnsteuerbeträgen 2005 und dem im Zuge der Lohnsteueraußenprüfung ermittelten Beträgen in Höhe von 1.148,23 EUR abzüglich der Differenz zwischen den der geschätzten Lohnsteuer 2006 und dem im Zuge der Lohnsteueraußenprüfung ermittelten Betrag in Höhe von -385,70 EUR, insgesamt 715,89 EUR, zuzüglich Solidaritätszuschlag in Höhe von 36,56 EUR.
  • • Lohnsteuer für das 1. Quartal 2006 in Höhe von 907 EUR.

Den hiergegen gerichteten Einspruch der Klägerin vom 6. Juli 2007 (Bl. 4 Rbh) wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 20. September 2007 als unbegründet zurück (Bl. 11 Rbh).

Am 19. Oktober 2007 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie beantragt sinngemäß (Bl. 1),

den Haftungsbescheid vom 15. Juni 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. September 2007 aufzuheben.

Der Beklagte sei im Anschluss an die Lohnsteueraußenprüfung zu Unrecht von Differenzen zwischen den laut Lohnkonten berechneten und den angemeldeten Lohnsteuerbeträge ausgegangen. Derartige Differenzen müssten mit Nichtwissen bestritten werden. Soweit sich die Haftung auf die fehlende Anmeldung und Abführung der Lohnsteuerbeträge für das erste Quartal 2006 beziehe, fehle es an einem Verschulden der Klägerin. Denn selbst bei rechtzeitiger Anmeldung der Lohnsteuer seien keine Mittel zur Begleichung der Lohnsteuer mehr vorhanden gewesen.

Der Beklagte beantragt (Bl. 22),

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Zur Begründung führt er unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung im Wesentlichen aus, die Klägerin habe als Geschäftsführerin der Ltd. schuldhaft ihre steuerlichen Pflichten verletzt, indem sie Lohnsteuerbeträge nicht oder in unzutreffender Höhe angemeldet und abgeführt habe. Die Beträge seien bei ordnungsgemäßer Anmeldung vor der Anordnung der Verfügungsverbots fällig gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Bet...

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