Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht eines gewerblichen Grundstückshandels einer Kommanditgesellschaft bereits mit auf einen Grundstückserwerb gerichteten Vorbereitungshandlungen und nicht erst mit dem ersten Grundstückserwerb

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist Gesellschaftszweck und tatsächlich verfolgter Unternehmensgegenstand einer Personengesellschaft (hier: KG) der gewerbliche Grundstückshandel, so beginnt die sachliche Gewerbesteuerpflicht nicht erst mit dem Abschluss des Kaufvertrags über den Erwerb des ersten Grundstücks, sondern bereits mit auf einen Grundstückserwerb gerichteten Vorbereitungshandlungen (wie z. B. Kontakt zu bzw. Beauftragung von Maklern, Teilnahme an Wohnungsbesichtigungsterminen, Durchführung von Kaufvertragsverhandlungen); die für gewerblich geprägte, vermögensverwaltende Personengesellschaften geltenden Grundsätze finden insoweit keine Anwendung (Abgrenzung zu FG Düsseldorf, Urteil v. 3.8.1999, 8 K 5495/97, EFG 1999 S. 1300).

2. Werden die Grundstückskäufe durch Genussrechtskapital finanziert, so liegt kein eigener, vom gewerblichen Grundstückshandel getrennt zu beurteilender Gewerbebetrieb vor, wenn die Personengesellschaft das von den Genussrechtsinhabern erhaltene Genussrechtskapital vor dem (ersten) Grundstückskauf verzinslich angelegt hat. Es handelt sich hierbei um gewerbesteuerrechtlich noch unbeachtliche Vorbereitungshandlungen. Dass die Personengesellschaft hierbei Zinserträge erzielt hat, begründet noch keine werbende Tätigkeit, wenn die Erzielung von Kapitalerträgen durch das Genussrechtskapital weder Geschäftszweck noch Gegenstand der Tätigkeit der Personengesellschaft ist.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1 Sätze 1-2, § 10a Sätze 1-2; EStG § 15 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.09.2022; Aktenzeichen IV R 13/20)

 

Tenor

Der Bescheid über die Ablehnung der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2012 vom 9. Dezember 2013 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 8. April 2015 werden aufgehoben.

Der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 2012 wird i.H.v. 1.032.655 EUR festgestellt.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist der Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht der Klägerin.

Die Klägerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom 11. Januar 2011 gegründete Kommanditgesellschaft. Der Gesellschaftszweck der Klägerin ist der Erwerb, die Verwaltung, die Veräußerung von Immobilien, Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung (§ 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages). Persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin ist die C in Z, die zur Geschäftsführung und Vertretung der Klägerin berechtigt und verpflichtet ist (§ 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages). Das Geschäftsjahr der Klägerin beginnt am 1. Juni eines Jahres und endet am 31. Mai des Folgejahres.

Zur Finanzierung des Gesellschaftszwecks war im Gesellschaftsvertrag vorgesehen, dass die Klägerin nach Maßgabe ihrer Genussrechtsbedingungen vom 17. März 2011 Genussrechtskapital i.H.v. 10 Mio. EUR – mit nachfolgendem Beschluss erhöht auf 15.5 Mio EUR – mit einer Mindestlaufzeit zwischen 5 und 25 Jahren und darüber hinaus Fremdkapital aufnimmt (§ 3 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages). Die Genussrechtsinhaber haben das Genussrechtskapital jeweils zuzüglich Agio zu überlassen. Im Fall der Einmalzahlung beträgt das Agio 5 % und bei Ratenzahlungen 6 % der Zeichnungssumme (§ 1 Nr. 4 der Genussrechtsbedingungen). Wegen der Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag vom 11. Januar 2011 und die Genussrechtsbedingungen vom 17. März 2011 Bezug genommen.

Mit notariellem Grundstückskaufvertrag vom 6. Juni 2012 erwarb die Klägerin die mit Mehrfamilienhäusern bebauten Grundstücke Y und X in W. Den Grundstückserwerb hatte die Klägerin im Wirtschaftsjahr 2011/2012 vorbereitet. Im März 2012 hatte das beauftragte Maklerbüro Immobilien-Exposés zur Verfügung gestellt, am 19. April 2012 fand eine Besichtigung der Grundstücke statt und am 23. Mai 2012 war der Klägerin der Notarvertragsentwurf übersandt worden.

Nach Internetrecherchen des Beklagten hat die Klägerin die Grundstücke Y+X im ersten Halbjahr 2014 veräußert. Des Weiteren hat die Klägerin im Jahr 2014 die Sanierung einer im V in W belegenen Immobilie mit der Veräußerung von neun Eigentumswohnungen abgeschlossen. Die Klägerin stellt sich hierzu in Pressemitteilungen u.a. vom 23. Oktober 2013 und 13. August 2014 wie folgt dar:

„Die A ist eine Beteiligungsgesellschaft, die Anlegern die Partizipation am deutschlandweiten Immobiliengeschäft ermöglicht. Das erfahrene Management investiert dabei in den günstigen Ankauf von Bestandsimmobilien und deren anschließende Vermiet...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge