Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch von Pflegeeltern. Haushaltsaufnahme im laufenden Monat und Ausschluss von Doppelzahlungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein familienähnliches Band erfordert eine Zugehörigkeit zur Familie und die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit der Aufsicht, Betreuung und Versorgung des Pflegekindes. Daran fehlt es bei einem Klinikaufenthalt aufgrund Frühgeburtlichkeit des Kindes und seiner Inobhutnahme durch das Jugendamt.

2. Ein Haushaltswechsel des Kindes während des laufenden Monats kann bei dem neuen Berechtigten ausnahmsweise nicht erst ab dem Folgemonat berücksichtigt werden, wenn eindeutig feststeht, dass es im Monat des Haushaltswechsels nicht zu Doppelzahlungen kommen kann.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2, § 64 Abs. 1, § 70 Abs. 1 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.01.2024; Aktenzeichen III R 5/23)

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 08. Februar 2021 und der Einspruchsentscheidungen vom 02. November 2021 verpflichtet, zugunsten des Klägers für das Kind B für den Monat Dezember 2020 Kindergeld und den Kinderbonus 2020 festzusetzen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu 71 % und im Übrigen der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten für die Monate November und Dezember 2020 um Kindergeld und Kinderbonus 2020 für das Pflegekind des Klägers, B, geboren am 26. November 2020.

Am 30. Juli 2019 hatte der Kläger (und sein Lebenspartner) den Bruder des B, C, geboren am 27. Juli 2019, in seinen Haushalt als Pflegekind aufgenommen. Ab Juli 2019 wurde daraufhin für C Kindergeld bewilligt, da das Kind nach Aussage des Jugendamtes ab Geburt im Haushalt des Klägers lebte.

Mit Antrag auf Kindergeld vom 20. Januar 2021 beantragte der Kläger Kindergeld für das Pflegekind B. In der „Erklärung für ein Pflegekind” gab der Kläger an, dass sich B seit dem 07. Dezember 2020 auf unbestimmte Zeit in seinem Haushalt aufhalte und er das Kind ganztägig und durchgehend an allen Wochentagen versorge. Die leiblichen Eltern, D und E, Anschrift unbekannt, würden das Kind nicht besuchen.

Ausweislich der „Bescheinigung über die Aufnahme eines Pflegekindes” des Landkreises Z, Jugendamt SG Pflegekinder/Vormundschaften vom 08. Dezember 2020, hatte der Kläger und sein Lebenspartner das Pflegekind B seit dem 07. Dezember 2020 im Haushalt aufgenommen. Am 09. Dezember 2020 hatte der Landkreis Z für den Kläger und seinen Lebenspartner eine „Vollmacht als Ergänzung zu § 1688 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)” erteilt.

Mit Bescheid vom 26. Januar 2021 setzte die Beklagte Kindergeld ab Januar 2021 fest.

Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 01. Februar 2021. In diesem beantragte der Kläger die Kindergeldgewährung ab dem Tag der Geburt. Er begehrte eine Nachzahlung für November und Dezember 2020 sowie den Kinderbonus 2020. Diesen Einspruch verwarf die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2021 als unzulässig, da keine Beschwer vorgelegen habe, da der angefochtene Bescheid keine Regelung für 2020 getroffen habe.

Mit Bescheid vom 08. Februar 2021 lehnte die Beklagte sodann die Kindergeldfestsetzung für November und Dezember 2020 mit der Begründung ab, dass das Kind erst am 07. Dezember 2020 in den Haushalt aufgenommen worden sei und Änderungen in den familiären Verhältnissen erst ab dem Folgemonat zu einem Anspruchsvorrang führen würden. Wegen des kindergeldrechtlichen Monatsprinzips erhalte derjenige Elternteil für den gesamten Monat ungeteilt das Kindergeld, der zu Beginn des Monats den vorrangigen Anspruch innegehabt habe. Mit weiterem Bescheid vom 08. Februar 2021 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kinderbonus ab, da im Kalenderjahr 2020 kein Anspruch auf Kindergeld bestanden habe.

Mit Antrag vom 16. Februar 2021 beantragte der Kläger daraufhin rückwirkend ab dem Tag der Geburt Kindergeld und den Kinderbonus und mit weiterem Schreiben vom 16. Februar 2021 legte er Einspruch gegen die Ablehnungsbescheide ein. Der Kläger gab zur Begründung seines Einspruchs an, dass das Kind sich aufgrund Frühgeburtlichkeit ab Geburt auf der Neonatologie des Klinikums Y befunden habe und bereits bei Geburt durch das Jugendamt Z die Inobhutnahme und Aufnahme im Haushalt des Klägers festgestanden habe. Somit habe kein Kindergeldanspruch für eine andere Person bestanden. Mit Entlassungsfähigkeit des Kindes sei dieses nach Hause zu ihm gekommen. Vorher seien ausschließlich Besuche in der Klinik möglich gewesen. Weiterhin werde ab Geburt die Meldeadresse die des Klägers sein, so dass das Kind ab Geburt dem Haushalt angehöre. Aufgrund der pandemischen Lage sei eine frühere Anmeldung nicht möglich gewesen, eine Anmeldung erfo...

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