rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch für in der Türkei die Schule besuchenden Sohn. Kindergeld

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Kindergeld nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei über soziale Sicherheit vom 30.4.1964 (BGBl II 1965, S. 1588) in der Fassung des Zusatzabkommens vom 2.11.1984 (BGBl II 1986, S. 1040) ist Kindergeld und Steuervergütung i. S. von § 31 EStG. Das Abkommen begründet aber keinen eigenständigen Kindergeldanspruch, sondern erweitert lediglich den jeweiligen innerstaatlichen Kindergeldanspruch der Abkommensbegünstigten.

2. Hat der Sohn einer türkischen Familie bisher die Schule in Deutschland besucht und lebt er nunmehr für einige Jahre in einem Internat in der Türkei, um dort die Schule zu besuchen und anschließend den Schulbesuch in Deutschland fortzusetzen, so behält er seinen Wohnsitz in Deutschland bei, wenn ihm in der in Deutschland direkt neben der Wohnung der Eltern liegenden Wohnung der Großmutter ein eigenes Zimmer bereitgehalten wird und er dieses Zimmer während des Schulbesuchs in der Türkei jeweils in den Schulferien für mehrere Monate bewohnt.

 

Normenkette

EStG 1996 § 31 S. 3; Deutsch-Türkisches Abkommen über soziale Sicherheit Art. 33 Abs. 1; AO 1977 § 8; EStG 1996 § 63 Abs. 1 S. 3

 

Tenor

Der Kindergeldbescheid vom 14. Mai 1998 und die Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 1998 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, Kindergeld für den Sohn des Klägers für die Zeit ab Oktober 1997 in gesetzlicher Höhe festzusetzen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 43 vH und der Beklagte zu 57 vH.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, gegenüber dem Kläger, der wie seine Ehefrau und seine vier Kinder, von denen das älteste, der Sohn F., im Juli 1982 und die jüngste der drei Töchter im Februar 1993 geboren sind, die türkische Staatsangehörigkeit hat, der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht und der mit der Familie in einer Wohnung im Inland lebt, Kindergeld in gesetzlicher Höhe (§ 66 Abs. 1 EStG) auch für den Sohn festzusetzen, der seit Juli 1995 eine Internatsschule (Realschule) in der Türkei mit der Absicht besucht, nach Abschluß des 10. Schuljahres in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren, um hier zunächst die Schule bis zum Abitur zu besuchen.

Der 1966 geborene Kläger lebt seit dem 12. Mai 1974 in der Bundesrepublik Deutschland. Er hat hier am 17. Februar 1981 (KGA 177) geheiratet. Aus der Ehe sind die vier Kinder hervorgegangen. Der Kläger arbeitet seit 1992 bei einer Versandfirma (KGA 218 R, GA).

Der Kläger ist im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung für die Bundesrepublik Deutschland (GA). Sein Sohn, der wie die anderen Kinder in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen ist und hier die Schule besucht hatte, besucht seit Juli 1995 (KGA 187, 192, 200) eine Internatsschule in der Türkei mit der Absicht, nach dem Realschulabschluß zur Fortsetzung des Schulbesuchs bis zum Abitur (GA 72) nach Deutschland zurückzukehren (KGA 223, 227). Der Sohn hält sich während des Schulbesuchs in der Türkei in dem mit der Schule verbundenen Heim auf (KGA 227). Während der Schulferien wohnt er in der Wohnung seiner Großeltern, die im gleichen Haus auf der gleichen Etage gegenüber der Wohnung des Klägers liegt und in der ihm ein „eigenes” Zimmer zur Verfügung steht (GA 71). Die Kosten des Lebensunterhalts trägt der Kläger.

Der Beklagte erließ, nachdem er von dem Schulbesuch des Sohnes in der Türkei erfahren hatte, am 9. Oktober 1995 (KGA 192) einen Änderungsbescheid, in dem gestützt auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X die frühere Kindergeldfestsetzung geändert wurde. Im Neubewilligungsbescheid vom 18. Januar 1996 setzte der Beklagte das Kindergeld für die Töchter des Klägers in gesetzlicher Höhe und für den Sohn auf 10 DM monatlich fest (KGA 206). Entsprechend verfuhr er nach Überprüfung in der formlosen Verfügung vom 19. Dezember 1997 (KGA 222).

Mit am 29. April 1998 eingegangenem Antrag vom Vortag (KGA 223) beantragte der Kläger Kindergeld über das festgesetzte Kindergeld in Höhe von 10 DM hinaus „nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. September 1996” auch für den Sohn. Der Sohn sei vorübergehend zum Schulbesuch in der Türkei. Er sei aber auf der Lohnsteuerkarte des Klägers erfaßt. Für ihn bestehe daher nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein Anspruch auf Kindergeld.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 14. Mai 1998 (KGA 226) ab. Der Sohn lebe in der Türkei. Das Urteil des Bundessozialgerichts (10 RKg 29/95 vom 30. September 1996), auf das sich der Kläger berufe, sei eine Einzelfallentscheidung, die den Fall des Klägers nicht treffe. Ihm könne ...

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