rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Grobes Verschulden bei nachträglichem Bekanntwerden eines Auflösungsverlustes nach § 17 EStG. Einkommensteuer 1999

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Steuerpflichtige bzw. sein steuerlicher Berater handelt grob fahrlässig, wenn im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Jahr, in dem über das Vermögen einer GmbH, an der der Steuerpflichtige wesentlich im Sinne des § 17 EStG beteiligt gewesen ist, das Insolvenzverfahren eröffnet worden und die Gesellschaft nach Einstellung des Verfahrens mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse im Handelsregister gelöscht worden ist, nicht wenigstens ein Auflösungsverlust nach § 17 EStG in Höhe des Anteils am Stammkapital geltend gemacht wird.

2. Der steuerliche Berater handelt hingegen nicht grob schuldhaft hinsichtlich der nachträglichen Geltendmachung eines über das anteilige Stammkapital hinausgehenden Verlusts aufgrund einer Bürgschaftsinanspruchnahme, wenn zum Zeitpunkt der Erstellung der Steuererklärung die Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen dem Grunde und der Höhe nach noch ungeklärt ist. Er hat durch den Nichtansatz eines Auflösungsverlusts aufgrund drohender Bürgschaftsinanspruchnahme nichts unterlassen, was jedem in Steuerrechtssachen Kundigen unter den gegebenen Umständen sofort einleuchten musste.

 

Normenkette

AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 90 Abs. 1 S. 2, § 150 Abs. 2 S. 1; EStG 1997 § 17

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 13. November 2002 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 28. April 2003 verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid 1999 dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 0,– DM festgesetzt wird.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO für eine Änderung des – ohne Berücksichtigung eines Auflösungsverlusts nach § 17 EStG ergangenen – Einkommensteuerbescheids 1999 vorliegen.

Der 1970 geborene Kläger war seit 1997 am Stammkapital der I-GmbH in Höhe von 50.000,– DM zu 48 v.H. beteiligt. Ausweislich der Handelsregistereintragung vom 03.03.1998 war er zugleich Geschäftsführer der I-GmbH.

Am 12.09.1997 verbürgte sich der Kläger zusammen mit den Mitgesellschaftern V. und F. zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen der L-Bank gegen die I-GmbH zeitlich und betragsmäßig unbeschränkt sowie selbstschuldnerisch.

Im Jahr 1999 stellte die I-GmbH, vertreten durch ihre beiden Geschäftsführer – den Kläger und Herrn V. –, Antrag auf Insolvenzeröffnung über ihr Vermögen.

Mit Beschluss vom 19.07.1999, der am 06.08.1999 rechtskräftig wurde, wies das Amtsgericht L. den Antrag der I-GmbH auf Insolvenzeröffnung mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Masse ab.

Mit Schreiben vom selben Tag teilte die L-Bank dem Kläger mit, sie werde ihn aus der Bürgschaft vom 12.09.1997 in Anspruch nehmen.

Die Löschung der I-GmbH wurde am 20.12.1999 von Amts wegen im Handelsregister eingetragen.

Außerdem wurde noch im Jahr 1999 von der Staatsanwaltschaft E. ein Ermittlungsverfahren wegen Bankrotts gegen den Kläger eingeleitet. Mit der Verteidigung des Klägers war der Rechtsanwalt Dr. C. aus L. beauftragt.

Im Februar 2001 beauftragte der Kläger die Steuerberatungsgesellschaft S., deren Geschäftsführerin die Steuerberaterin und jetzige Prozessbevollmächtigte Frau N. ist, mit der Erstellung seiner Einkommensteuererklärung 1999. Zu diesem Zeitpunkt belief sich die Forderung der L-Bank gegen die mittlerweile aufgelöste I-GmbH auf ca. 1.000.000,– DM. Für die Bearbeitung der Steuererklärung legte der Kläger Frau N. nur eine Aufstellung mit folgendem Inhalt nebst Belegen vor:

„Einkommensteuer 1999

Dipl.- Ing. K.

… Str. 11

… L.

01.01.1999 – 30.06.1999

I-GmbH

Einkommen gemäß Steuerkarte

01.07.1999 – 09.08.1999

Kein Einkommen

09.08.1999 – 31.12.1999

Arbeitslosengeld gemäß

Bewilligungsbescheid und

Zwischenbescheinigung „

Auf Nachfrage des Gerichts vom 17.11.2003 hat Frau N. dem Gericht wörtlich folgendes mitgeteilt:

„zu den mit Schreiben vom 17. November 2003 gestellten Fragen nehme ich wahrheitsgemäß Stellung:

  1. Im Zusammenhang mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung 1999 haben Herr K. und ich über den Konkursantrag der I-GmbH gesprochen. Ob von mir präzise die Frage nach der konkreten Entscheidung des Gerichts über den Konkursantrag gestellt worden ist, vermag ich heute aus meiner Erinnerung nicht zu beantworten.

    Meine Frage nach dem Stand des Konkursantrages beantwortete Herr K. aus meiner Erinnerung sinngemäß wie folgt:

    Die Bürgschaftsinanspruchnahme mit der L-Bank sei noch nich...

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