Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorliegen eines Pflegekindschaftsverhältnisses

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach der gesetzlichen Definition des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG handelt es sich bei Pflegekindern um Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhut- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht. Die Absicht der Pflegeeltern das Kind bis zur Übergabe an Adoptiveltern zu betreuen ist ausreichend für die Annahme einer längeren Dauer.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Kläger begehren die Berücksichtigung eines Kinderfreibetrages für ein Pflegekind bei der Einkommensteuer für das Jahr 2002.

Das Bezirksamt xxx war Inhaber des Personensorgerechts für den am 19. Juni 2001 geborenen xxx gemäß § 33 Kinder- und Jugendhilfegesetz -KJHG-. Ab dem 22. Juni 2001 lebte das Kind aufgrund einer Vereinbarung zur Ausübung der Personensorge im Rahmen einer sog. Hilfe außerhalb der Herkunftsfamilie im Haushalt der Kläger. Ausweislich der Ausführungen im "Hilfeplan" des Bezirksamts xxx von Berlin vom 5. Juli 2001 war eine Betreuung des Kindes in einer befristeten Vollzeitpflege aufgrund der persönlichen Situation der Kindesmutter erforderlich. Danach bestand keine Rückkehroption des Säuglings in die Ursprungsfamilie. Über die weitere Perspektive des Kindes sollte unter Einbeziehung der an der Hilfeplanung Beteiligten "in Kürze" entschieden werden. Mit Schreiben vom 17. Juli 2001 teilte das Bezirksamt xxx von Berlin den Klägern mit, dass das Pflegeverhältnis bis zum 21. September 2001 zeitlich befristet sei. In der Folge gewährte das Bezirksamt den Klägern Hilfe zur Erziehung in Form von Pflegegeld. In der Fortschreibung des Hilfeplans vom 12. September 2001 wurde die weitere Betreuung des Säuglings in der Pflegefamilie als bis auf weiteres erforderlich angesehen. Die Vermittlung des Kindes in eine Adoptionsfamilie sollte weiterhin angestrebt werden. Die Hilfe wurde bis zum 21. Dezember 2001 verlängert. Da im Dezember konkrete Vermittlungsgespräche mit potentiellen Adoptiveltern lediglich in der Planung waren, wurde die Unterbringung bei den Klägern erneut, nunmehr bis zum 21. März 2002, verlängert. Eine weitere Verlängerung erfolgte durch bis zum 21. Juni 2002. Zuvor war im fortgeschriebenen Hilfeplan festgestellt worden, dass die Vermittlung des Kindes in eine Adoptionsfamilie nicht möglich sei und nunmehr an der Vermittlung des Kindes an eine unbefristete Vollzeitpflegestelle gearbeitet würde. Das Kind verließ den Haushalt der Kläger im Juni 2002.

Mit der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2002 erklärten die Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und sonstige Einkünfte. Sie reichten die Anlage Kind für xxx ein und gaben dort zum Kindschaftsverhältnis "Pflegekind" an, wobei sie handschriftlich ergänzten: "Begrenzte Kurzzeitpflege". Auf Nachfrage durch den Beklagten wurde weiterhin angegeben, dass das Kindergeld während der Kurzpflege an die leibliche Mutter gehe.

Der Beklagte setzte durch Bescheid vom 27. Juni 2003 die Einkommensteuer für 2002 in Höhe von 408,00 Euro fest. In der Erläuterung führte der Beklagte aus, ein Kinderfreibetrag könne nicht gewährt werden, da für das Kind Kindergeld an die Kindesmutter gezahlt werde.

Dagegen legten die Kläger am 9. Juni 2003 mit der Begründung Einspruch ein, es sei ein Kinderfreibetrag zu gewähren, da kein Kindergeld bezogen werde, und zwar weder von der leiblichen Mutter noch von ihnen. Nachträglich könne das Kindergeld nicht beantragt werden. Die Kläger reichten eine Bescheinigung des Bezirksamts xxx von Berlin vom 2. Juli 2003 ein, wonach sich das Kind in der Zeit vom 22. Juni 2001 bis zum 20. Juni 2002 bei den Klägern in befristeter Vollzeitpflege (Kurzpflege) befunden habe. Weiterhin führte die Behörde aus, Kindergeldzahlungen nach der Kindesmutter seien nicht in Anspruch genommen worden. Die Kläger trugen weiterhin vor, alle in § 32 Einkommensteuergesetz -EStG- aufgeführten Voraussetzungen seien erfüllt, insbesondere habe ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band bestanden. Ein Säugling, der ein Jahr bei den Pflegeeltern im Haushalt lebe, sei völlig in die Familie integriert. Nicht ohne Grund werde danach eine mindestens vier bis acht Wochen dauernde Anbahnungszeit mit den neuen und nunmehr endgültigen Eltern vereinbart.

Der Einspruch wurde durch Einspruchsbescheid des Beklagten vom 1. Oktober 2003 als unbegründet zurückgewiesen. In der Begründung ging die Behörde davon aus, dass bis auf die zeitliche Anlage des Pflegschaftsverhältnisses die Voraussetzungen des § 32 EStG erfüllt seien. Der Beklagte bezog sich dabei auf einen Erlass des Bundesministers für Finanzen -BMF- vom 9. April 1998, wonach für die Annahme einer auf Dauer angelegten familienähnlichen Bindung das Pflegeverhältnis von vornherein auf mehrere Jahre angelegt sein müsse. Entscheidend sei nicht die tatsächliche Dauer der ...

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