rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anbringung der Klage bei einer unzuständigen Behörde. Haftung des Steuerhinterziehers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Anbringung einer Klage bei einer unzuständigen Behörde wahrt die Klagefrist nicht, wenn die Klage nicht vor Ablauf der Frist bei der zuständigen Behörde oder dem zuständigen FG eingeht und bei verspätetem Eingang auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

2. Die Haftung des Steuerhinterziehers bringt eine Schadensersatzpflicht in Höhe des vollständigen Steuerschadens mit sich.

3. Im Falle einer persönlichen Haftung wegen Steuerhinterziehung ist das Ermessen der Finanzbehörde dahingehend „vorgeprägt”, dass es bei einem eventuellen Vorhandensein mehrerer Haftungsschuldner in jedem Fall sachgerecht ist, den Steuerhinterzieher persönlich in Haftung zu nehmen.

 

Normenkette

AO § 191 Abs. 1, §§ 71, 370 Abs. 1 Nr. 1, § 5; FGO § 47 Abs. 1-2

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Die Prozessbeteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte die Klägerin als frühere Mitgeschäftsführerin einer B… GmbH mit Sitz in C… (künftig: GmbH) wegen rückständiger Umsatzsteuervorauszahlungen für die Jahre 2012 bis 2015 in Höhe von insgesamt 59 149,63 EUR unter Berufung auf § 71 der Abgabenordnung (AO) persönlich in Haftung nehmen kann.

Die GmbH wurde durch Gesellschaftsvertrag vom xx. Juni 2011 (UR-Nr. … des Notars D… aus C…) gegründet und am xx. August 2011 in das Handelsregister beim Amtsgericht C… eingetragen. Die 19… in Polen geborene Klägerin, die bislang nach eigenen Angaben als Hausfrau tätig war (vgl. den o. g. Gesellschaftsvertrag), übernahm einen Gesellschaftsanteil in Höhe von 23 750,00 EUR und der 19… geborene E… aus C…, von Beruf Internetdienstleister, einen Gesellschaftsanteil in Höhe von 1 250,00 EUR am Stammkapital der Gesellschaft in Höhe von insgesamt 25 000,00 EUR. Der 19… in xxx geborene und in C… wohnhafte Herr F… übernahm als Lebensgefährte der Klägerin beim o. g. Notartermin die Funktion eines Dolmetschers. Die Klägerin sowie Herr E… wurden jeweils zu alleinvertretungsberechtigten Mitgeschäftsführern bestellt.

Über das Vermögen des Herrn F… war im Jahr 2009 ein Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand war die Herstellung sowie der Handel mit Möbeln aller Art, […]. Ein weiterer Unternehmensgegenstand war der Handel mit neuen und gebrauchten Kraftfahrzeugen und Kfz-Teilen sowie Zubehör.

Frau Steuerberaterin G… aus C… erstellte für die GmbH Jahresabschlüsse für die Jahre 2011 und 2012 sowie die dazugehörigen Jahressteuererklärungen. Die Jahresabschlüsse und Jahressteuererklärungen weisen jeweils die Unterschriften der Klägerin und des Herrn E… als Mitgeschäftsführer der Gesellschaft auf (Eingang beim Beklagten am 6. Juni 2013 für das Jahr 2011 sowie am 12. März 2014 für das Jahr 2012). Mit Schreiben vom 3. Juni 2015 teilte Frau G… dem Beklagten mit, dass sie ab sofort nicht mehr für die GmbH tätig sei.

Die Gesellschaft betrieb im Wesentlichen den Handel mit Einbauküchen und Einbauküchenelementen polnischer Hersteller über ein in C… gelegenes Küchenstudio.

Mittels Schreiben vom 2. Januar 2012 gestattete der Beklagte der GmbH gemäß § 20 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs, rückwirkend ab dem Jahr 2011 ihre Umsätze nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen. Am 30. November 2011 reichte die GmbH außerdem beim Beklagten einen Antrag auf Dauerfristverlängerung im Sinne der §§ 4648 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDVO) ein, dem der Beklagte stattgab.

Die GmbH erklärte folgende Umsätze und Betriebsergebnisse:

Umsatz:

Betriebsergebnis:

27.6.–31.12.2011

32 456,39 EUR

+ 257,50 EUR

2012

49 915,43 EUR

./. 1 898,41 EUR

Nach ihren betriebswirtschaftlichen Auswertungen für die Jahre 2013 und 2014 erzielte die GmbH in jenen Jahren folgende Umsätze und Betriebsergebnisse (vgl. Gutachten im Insolvenzantragsverfahren vom 13. März 2015, Seite 3):

Umsätze:

Betriebsergebnisse:

2013:

21 038,00 EUR

./. 3 978,00 EUR

2014:

14 555,00 EUR

./. 24 580,00 EUR

Mangels Einreichung einer Umsatzsteuererklärung durch die GmbH für das Streitjahr 2012 schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO) und setzte die Umsatzsteuer mit Bescheid vom 19. September 2013 auf ./. 1 667,52 EUR fest. Der Bescheid begründete eine Nachzahlungspflicht in Höhe von 338,01 EUR und erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO).

Am 12. März 2014 reichte die GmbH die ausstehende Umsatzsteuererklärung 2012 beim Beklagten ein, die eine Zahllast in Höhe von ./. 1 917,54 EUR auswies (voll umsatzsteuerpflichtige Umsätze: 21 506,00 EUR; umsatzsteuerfreie Umsätze: 29 766,00 EUR). Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung zu und stellte diese am 21. März 2014 zum Soll, was zu einem Guthaben der GmbH per 31. März 2014 in Höhe von 250,02 EUR führte.

Mangels Einreichung von Umsatzsteuererklärungen für die ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge