Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablaufhemmung bei Verzögerung des Prüfungsbeginns durch unbegründeten Rechtsbehelf gegen die Prüfungsanordnung. Nichtigkeit von Steuerbescheiden. Befangenheit eines Amtsträgers. Unsicherheitsabschlag bei unzureichender Mitwirkung des Steuerpflichtigen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist gem. § 171 Abs. 4 AO gehemmt, wenn der Steuerpflichtige durch Anfechtung und Beantragung der Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung bewirkt, dass die Prüfung nicht zu dem vorgesehenen Zeitpunkt beginnt und sich herausstellt, dass die Prüfungsanordnung und die Festlegung des Prüfungsbeginns rechtmäßig gewesen sind.

2. Die Nichtigkeit eines Steuerbescheids kann nicht daraus hergeleitet werden, dass die nach einer Außenprüfung festgesetzten Mehrsteuern höher sind als das in der Steuererklärung angegebene zu versteuernde Einkommen.

3. Ein Grund, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Amtsträgers zu rechtfertigen, liegt vor, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger und objektiver Betrachtung davon ausgehen darf, der Amtsträger werde nicht objektiv entscheiden. Eine bloße subjektive Besorgnis genügt nicht.

4. Es ist grundsätzlich gerechtfertigt, bei einer Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen einen Unsicherheitsabschlag (hier: Kürzung der Betriebsausgaben und Vorsteuern jeweis um 1 %) im Schätzungswege vorzunehmen.

 

Normenkette

AO § 171 Abs. 4, § 125 Abs. 1, §§ 83, 90, 162

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.12.2017; Aktenzeichen VIII R 6/14)

BFH (Urteil vom 12.12.2017; Aktenzeichen VIII R 6/14)

 

Tenor

Die Einkommensteuer 1996 wird unter Änderung des Bescheids vom 1.10.2010 dahingehend neu festgesetzt, als die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um 13.683,00 DM gemindert werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Der Kläger ist als Steuerberater tätig. Er führte freiwillig Bücher auf elektronischem Wege. Seine Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen für 1995 reichte er im Januar 1997, für 1996 im April 1998 und für 1997 im September 1999 beim Beklagten ein, woraufhin die Steuerfestsetzungen erfolgten.

Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 15.9.1999 (Bl. 185 Einkommensteuerakte IV) sollte beim Kläger eine Außenprüfung für die Jahre 1995 bis 1997 durchgeführt werden, die sich auf die Einkommen- und Umsatzsteuer erstrecken sollte. Der am 4.10.1999 beim Kläger erschienene Betriebsprüfer verließ nach Aushändigung des Einspruchsschreibens (Bl. 186 der Einkommensteuerakte IV) gegen die Prüfungsanordnung, das auch einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Prüfungsanordnung enthielt, die Räume des Klägers. Das gegen die Prüfungsanordnung durchgeführte Einspruchsund Klageverfahren blieb erfolglos. Die gegen das Urteil des Finanzgerichts eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde verwarf der Bundesfinanzhof am 7.5.2003 (Az. IV B 206/01). Nachdem der Beklagte am 2.9.2003 und 14. 10. 2003 erfolglos versucht hatte, einen neuen Termin für die Prüfung zu vereinbaren, erschien der Prüfer am 4.11.2003 und 5.11.2003 in den Büroräumen des Klägers, der dort nicht zu sprechen war. Unterlagen zur Prüfung lagen nicht bereit.

Am 13.11.2003 beantragte der Kläger die Aufhebung der Prüfungsanordnung mit der Begründung, dass die Prüfung nicht wirksam begonnen habe und daher Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Mit der Ablehnung dieses Antrags am 18.3.2004 wurde dem Beklagter der Termin zur Fortsetzung der Prüfung am 30.3.2004 mitgeteilt. Zu diesem Termin traf der Betriebsprüfer den Kläger in seinen Büroräumen nicht an. Unterlagen standen nicht bereit. Eine Angestellte des Klägers nahm eine schriftliche Einladung zur Schlussbesprechung am 27.4.2004 entgegen, zu der der Kläger jedoch nicht erschien. Das Einspruchs- und Klageverfahren gegen die Ablehnung des Aufhebungsantrags bezüglich der Prüfungsanordnung sowie die sich anschließende Nichtzulassungsbeschwerde blieben erfolglos.

Auf Grundlage des Prüfungsberichts vom 6.5.2004 (Bl. 27 der Gerichtsakte), auf den verwiesen wird, erließ der Beklagte am 22.6.2004 geänderte Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für 1995 bis 1997. Den dagegen eingelegten Einspruch vom 9.7.2004 (Bl. 14 Einkommensteuerakte IV b) half der Beklagte teilweise ab und erließ am 9.3.2009 Änderungsbescheide (Bl. 72 bis 85 der Gerichtsakte). Der Beklagte hielt an folgenden Prüfungsfeststellungen fest:

Der für die Steuerberaterpraxis geltend gemachte Mietaufwand sei nicht zu berücksichtigen. Es sei im Einspruchsschreiben zwar plausibel dargelegt worden, weshalb externe Räumlichkeiten angemietet worden seien, es fehle jedoch an einem Nachweis für die geleisteten Mietzahlungen. Weiter seien die vom Kläger angesetzten Betriebsausgaben wegen der nicht vorgelegten Belege um 10% pauschal zu kürzen (Textziffer 12 des Betriebsprüfungsberichts). Darüber hinaus sei der Anteil für die private Pkw – Nutzung zu erhöhen, da Fahrtenbücher nicht vorgelegt worden seien (vgl. Eins...

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