Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch einer unbeschränkt steuerpflichtigen Mutter für ihr bei seiner Großmutter in Polen lebendes, minderjähriges Kind

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Mutter hat Anspruch auf ungekürztes Kindergeld für ihren in Polen bei seiner Großmutter lebenden, minderjährigen Sohn, wenn keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Kindesvater oder die Großmutter, die das Kind betreut hat, in Polen Familienleistungen für das Kind bezogen haben, und mangels eigenen Anspruchs der Mutter auf Kindergeld in Polen keine Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten eingreifen, nach denen die geschuldeten Leistungen gegenseitig gekürzt, zum Ruhen gebracht oder entzogen werden können.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3; EWGV 1408/71 Art. 7 Abs. 1, Art. 10; EWGV 574/72 Art. 73, 76

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.04.2015; Aktenzeichen III R 6/14)

BFH (Urteil vom 16.04.2015; Aktenzeichen III R 6/14)

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 12.03.2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.03.2011 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte das Kindergeld für den am 30.3.1989 geborenen Sohn B. der Klägerin anteilig zurückfordern durfte.

Die in Polen gebürtige Klägerin ist österreichische Staatsangehörige. Sie zog im Jahre 1981 nach C.. Seit dem Jahr 1984 wohnte sie zur Untermiete bei Frau D., einer Freundin ihres Vaters. Nach der Geburt ihres Sohnes B. beantragte sie am 30.6.1989 Kindergeld für diesen. Mit Kassenanordnung vom 17.7.1989 gewährte die Kindergeldkasse bei dem Arbeitsamt C. fortlaufend Kindergeld. Die Ehe der Klägerin mit dem Kindesvater, Herrn E., einem polnischen Staatsangehörigen, wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts F. (Österreich) vom 15.1.1989 geschieden.

Im Jahr 1994 nahm die Klägerin das Angebot an, bei einer Filmproduktion in G. mitzuwirken und hielt sich in den folgenden Jahren wiederholt für mehrere Monate in Polen auf. Ihren Sohn, der sich seinerzeit im Vorschulalter befand, meldete die Klägerin bei der Deutschen Schule in G. an. B. wohnte seit dem Jahr 1995 bei der Mutter der Klägerin in G..

In den jährlich auszufüllenden Fragebögen zur Prüfung des Anspruchs auf Kindergeld gab die Klägerin weiterhin an, dass sich ihr Sohn B. in C. aufhalte. Nachdem die Klägerin im Jahr 2007 eine Schulbescheinigung einer allgemeinbildenden Schule in G. eingereicht hatte, forderte die Beklagte die Klägerin mehrfach erfolglos auf, einen Fragebogen zur Überprüfung der Voraussetzungen für die Gewährung von Kinderfeld sowie die Vordrucke E 401 und 402 ausgefüllt einzureichen sowie die vollständige Anschrift des Kindesvaters mitzuteilen. Anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten am 2.7.2007 erklärte die Klägerin, dass ihr Sohn bei der Großmutter in Polen lebe. Die Anschrift des Kindesvaters kenne sie nicht, da ein Kontakt zu diesem nicht bestehe. Ihr Sohn habe durchgängig die Schule in Polen besucht. Schriftsätzlich teilte die Klägerin weiter mit, dass sie der Beklagten die Anmeldungen und Schulbescheinigungen stets vorgelegt habe. Ihr Sohn habe sich in den Ferien regelmäßig in C. aufgehalten. Ausweislich einer Bescheinigung der für den Wohnort des Kindes örtlich zuständigen Stelle (…) vom 12.2.2008 stellte die Mutter der Klägerin einen Antrag auf Gewährung von Familienleistungen für den hier streitigen Zeitraum nicht (Bl. 96 der Kindergeldakte).

Mit Bescheid vom 12.3.2008 (Bl. 102 der Kindergeldakte) hob die Beklagte die Festsetzung von Kindergeld mit Wirkung zum 1.5.2004 auf, da nicht nachgeprüft werden könne, ob ein Anspruch auf Kindergeld bestanden habe. Zugleich forderte sie das in der Zeit vom Mai 2004 bis Februar 2007 gezahlte Kindergeld von der Klägerin zurück.

Mit ihrem Einspruch vom 10.4.2008 machte die Klägerin geltend, dass sie die Fragebögen E 401 und E 402 fristgemäß vorgelegt habe. Lediglich den Fragebogen zur Überprüfung des Anspruchs auf Kindergeld habe sie mit dem ausdrücklichen Hinweis nicht ausgefüllt, dass sie ab Februar 2007 einen Anspruch auf Kindergeld nicht mehr habe geltend machen wollen. Seit Anfang 2007 stehe fest, dass ihr Sohn weiterhin in Polen leben, dort jedoch nicht mehr die Schule besuchen werde. Die Klägerin erklärte weiter, dass sie seit dem Jahre 2000 arbeitslos gemeldet sei und Geldleistungen des Arbeitsamtes wegen Arbeitslosigkeit beziehe.

Unter dem 10.3.2011 änderte die Beklagte den Aufhebungsbescheid dahin gehend, dass er für den Zeitraum Mai 2004 bis Februar 2007 Kindergeld i. H. v. 77 EUR monatlich festsetzte. Mit Entscheidung vom 23.3.2011 wies die Beklagte den ...

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